Wien - Nach Einschätzung des ägyptischen Politikers und ehemaligen IAEA-Direktors Mohamed Elbaradei hat Ägypten noch einen "holprigen Weg" in eine bessere Zukunft vor sich. Er sei aber optimistisch, meinte ElBaradei am Donnerstag bei einer hochkarätig besetzten Veranstaltung im Außenministerium in Wien. Thema des 42. Wiener Seminars des Internationales Friedensinstituts (IPI) war die Zukunft Nordafrikas und des Nahen Ostens nach dem Arabischen Frühling.

Zu den hochrangigen Teilnehmern zählten neben ElBaradei Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger (VP), Frankreichs Ex-Außenminister Bernard Kouchner, der frühere israelischen Justizminister und Mitautor der "Genfer Friedensinitiative, Yossi Beilin, sowie der palästinensische Politiker Nabil Shaath.

Zu den derzeit stattfindenden Präsidentenwahlen in Ägypten meinte ElBaradei, er sei froh darüber, dass er nun zum ersten Mal nicht wisse, wer das nächste Staatsoberhaupt sein werde. Er spielte damit auf die Wahlmanipulationen unter dem gestürzten Herrscher Hosni Mubarak an. Befürchtungen wegen der Folgen eines möglichen Wahlsiegs eines islamistisches Kandidaten wies er zurück.

ElBaradei, Nichtwähler

Der neue Präsident werde mit dem Parlament und den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zusammenarbeiten müssen, meinte er. Allerdings werde er sich wegen der weit verbreiteten anti-israelischen Stimmung in der Bevölkerung mit der Forderung nach Aufkündigung des Friedensvertrags mit dem jüdischen Staat auseinandersetzen müssen.

ElBaradei, der seine Präsidentschaftskandidatur zurückgezogen hatte, gab an, er habe bei der Wahl nicht abgestimmt. Er begründete dies mit dem Fehlen einer neuen Verfassung, die die Kompetenzen des Staatsoberhauptes festlegt.

Außenminister Spindelegger, der vor kurzem Tunesien und Marokko besucht hatte, attestierte den dortigen Regierungen, dass sie sich dem Reformprozess wirklich verpflichtet fühlten. Vor allem in Tunesien erschwere aber die wirtschaftliche Lage diese Bemühungen, sagte Spindelegger. Österreich wolle eine Hilfestellung anbieten, etwa in Form des Baus einer Nord-Süd-Pipeline durch die OMV.

Frankreichs Ex-Außenminister Kouchner sagte, er habe "schizophrene" Gefühle bezüglich des Arabischen Frühlings, etwa in Hinblick auf den Friedensprozess im Nahen Osten. Auch unter den Diskussionsteilnehmern herrschte Uneinigkeit darüber, inwieweit die Umbrüche in der Arabischen Welt einer Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern förderlich sind.

Der Israel-Korrespondent des ORF, Ben Segenreich, etwa meinte, nach dem Arabischen Frühling sei es für die Führung der Palästinenser schwieriger geworden, mit der Gegenseite Kompromisse einzugehen. Auch könne man nicht gleichzeitig eine Aussöhnung zwischen Fatah und Hamas und einen Friedensprozess mit Israel haben.

Demgegenüber sieht der palästinensische Politiker und Ex-Außenminister Shaath die Hamas auf dem Weg zu einer gemäßigten islamistischen Bewegung. Diese Entwicklung, wo sich der politische Islam "von Teheran nach Istanbul" bewege, sei auch in anderen arabischen Ländern zu beobachten. Wie Fatah und Hamas würden künftig islamistische und liberale Parteien Wege der Zusammenarbeit finden.

Für den israelischen Friedenspolitiker Beilin liegt die Bedeutung des Arabischen Frühlings darin, dass sich die öffentliche Meinung Macht verschafft habe. Dadurch müssten die Entscheidungsträger auf diese Rücksicht nehmen. Beilin erinnerte zudem daran, dass die Europäer früher gut mit den arabischen Potentaten ausgekommen seien. Heute sei "China der Elefant im Raum, und wir sind nett zu ihnen". (APA, 24.5.2012)