Parteichef hinter Glas. - Mehr Transparenz ist angesagt. Weniger "Besitzdenken" wäre vielleicht auch nicht schlecht, findet Matthias Strolz

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Plädoyer für eine Umschichtung: Weg von den Parteiapparaten, hin zu den Abgeordneten.

Die Parlamentsparteien diskutieren über eine Neuregelung der Parteienfinanzierung - mit mindestens drei Jahrzehnten Verspätung, aber immerhin. Lob vornweg: Die nun von der Regierung vorgeschlagenen Regelungen bezüglich Transparenz und Parteienfinanzierung sind jedenfalls Schritte in die richtige Richtung. Über einige Punkte wird noch zu diskutieren sein - die Debatte läuft. Was allerdings noch zu wenig diskutiert wird, ist die schwindelnde Höhe der Parteienfinanzierung in Österreich. Außer Streit steht für mich, dass die Parteien als die Säulen der Demokratie in erster Linie öffentlich finanziert werden sollen. Politik soll sich nicht am Sponsoring-Markt prostituieren müssen. Allerdings muss auch bei den Parteien - wie in allen Bereichen, in denen das Geld von den Bürgern kommt - sorgsamer Umgang und Effizienz im Umgang mit Steuergeldern gewährleistet sein.

Wenn die Anzahl der Spitalsbetten pro Kopf in Österreich fast doppelt so hoch ist wie im EU-Schnitt, dann ist das ein wichtiger und richtiger Anknüpfungspunkt für grundsätzliche Reformen. (Diese wollen uns zwar eher schlecht als recht gelingen, aber zumindest wird darüber seit Jahren debattiert und daran gearbeitet.) Wenn allerdings Österreich neben Japan im Index of Party Spending (Parteiausgaben pro Wahlberechtigen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) Weltmeister ist, dann ist das nicht der Rede wert?

Selbstbedienungssyndrom

Wir geben pro Kopf viermal so viel öffentliches Geld für Parteien aus wie die Deutschen, gar sechsmal so viel wie die Schweizer. Wäre es vorstellbar, dass bei uns sechsmal so viele Krankenbetten herumstehen wie im Nachbarland? Und würde es uns gesünder machen? Macht diese exorbitante Parteienförderung unsere Parteien fitter? Nein, sie ist lediglich Ausdruck dessen, dass sich hier über mehrere Jahrzehnte die Parteien ungeniert selbst bedient haben. Das rot-schwarze Machtkartell, dem wir zwar mit dem Aufbau der Zweiten Republik auch viel Gutes verdanken, hat hier moralisch versagt. Nur wer glaubt, dieses Land zu besitzen, kann seine eigenen Taschen derart dreist vollstopfen.

Der Politologe Hubert Sickinger kämpft seit mehr als zwei Jahrzehnten für mehr Transparenz und Kontrolle in der österreichischen Parteienfinanzierung. Er rechnet in seinem Handbuch zur Politikfinanzierung in Österreich vor, dass die se zwischen 1980 und 2009, verglichen mit dem Bruttoinlandsprodukt und der Einkommensentwicklung, überproportional gestiegen ist: um 569 Prozent im Bund und um 512 Prozent in den Ländern - bei nahezu unveränderter Intransparenz der Zuwendungen. Es ist also hoch an der Zeit, dass wir auch in Sachen Parteienfinanzierung aus dem internationalen Benchmarking Konsequenzen ziehen. Das Ansinnen, die Wahlkampfkostenrückerstattung für Kleinstparteien zu streichen und dieses Geld unter den Parlamentsparteien aufzuteilen, zählt allerdings nicht zu den wünschenswerten:

Das Einziehen einer Ein-Prozent-Hürde ist einerseits Ausdruck für ein fragwürdiges Demokratieverständnis, andererseits Be leg für die steigende Angst vor Mitbewerbern. Die ehemaligen Großparteien wissen, dass sie nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind. Sie wollen neuen Kräften Steine in den Weg legen, um ihre Macht möglichst lange abzusichern. Dabei wünschen sich die Bürger/-innen Bewegung im Land und daher auch neue Bewegungen. SPÖ und ÖVP aber würden sich am liebsten selbst in die Verfassung schreiben - als Regierungsparteien auf ewig. Ihre Schwesterveranstaltung, die auch nicht mehr ganz so vitale Sozialpartnerschaft, hat es ja bereits geschafft, in diesem vermeintlich sicheren Hafen zu ankern.

Die Bürgerinitiative "Österreich spricht" hat zum Thema Transparenz und Korruptionsvorbeugung am 16. Mai in Wien und Innsbruck sogenannte Bürger/-innen-Räte abgehalten. Interessierte Leute haben dabei einen Tag investiert, um Lösungsimpulse für die Politik zu erarbeiten. Am Abend wurden die Ergebnisse im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung mit Vertretern der Parlamentsparteien präsentiert. Daran nahmen nur die Grünen und die FPÖ teil. Die anderen Parteien haben sich unter Hinweis auf die Nationalratssitzung an diesem Tag der Diskussion entzogen. (Wir haben auch dort vorbeigeschaut: Zu Beginn unserer Veranstaltung saßen im Plenum gezählte 58 Abgeordnete. Da wäre sich wohl ein Besuch bei uns ausgegangen.)

Auf den Bürger hören

Jedenfalls kamen hier von Bürgerseite interessante Vorschläge und Empfehlungen: unter anderem jene, einen Teil der Gelder aus der Parteienfinanzierung umzuschichten - einerseits zugunsten politischer Basisinitiativen, zum anderen als Investition für bessere Arbeitsbedingungen für Abgeordnete. Dem kann ich nur beipflichten: Wir sollten die öffentlichen Gelder teils neu widmen - weg von den Parteiapparaten hin zu den Abgeordneten.

Wer sich ein lebendiges Parlament wünscht, muss den Abgeordneten auch die Rahmenbedingungen dafür zugestehen: z. B. ein höheres individuelles Budget für Zuarbeiten und Mitarbeiter/-innen, wie es etwa in Deutschland der Fall ist. Wenn wir davon wegkommen wollen, dass ein Gutteil der Abgeordneten nur dafür im Hohen Haus sitzt, um nach Kommando der Klubobleute hin und wieder die Hand zu heben, wenn wir wollen, dass diese Abgeordneten wirklich inhaltliche Arbeit leisten, dann müssen wir ihnen geeignete Instrumente und Ressourcen geben. Die Formel lautet: Weniger aufgeblasene Parteien, dafür potentere Abgeordnete.

Die Parteien müssen insgesamt zu einem anderen Selbstverständnis kommen: Sie besitzen diese Republik nicht, sie sind Dienstleister für das Gemeinwesen. Wenn sie das verinnerlichen, können sie sich manche Protzerei sparen - und kommen dann wohl auch mit weniger aus als den aktuell 300 Millionen pro Jahr. (Matthias Strolz, DER STANDARD, 25.5.2012)