Bild nicht mehr verfügbar.

Barack Obama besorgt sich Literatur über die ideologische Verfassung seines republikanischen Gegenkandidaten im November, Mitt Romney.

Foto: Reuters/Reed

Im US-Wahlkampf wird über Außenpolitik gestritten. Präsident Obama und Romney wollen beide ein neues amerikanisches Jahrhundert. Letzterer fällt insbesondere mit neokonservativen Beratern und Positionen auf.

Washington/Wien - In einer engen Siebener-Formation donnern Düsenjets über das Footballfeld der Luftwaffen-Akademie. Die 1073 ausgemusterten Kadetten schleudern ihre Kappen in die Luft. Dann schüttelt Barack Obama den eben graduierten Leutnanten persönlich die Hand. In US-Militärhochschulen ist er gern zu Gast. Er hat Westpoint und die Citadel besucht. Nun ist die Air Force Academy in Colorado Springs an der Reihe. Militärs, finden seine Berater, geben eine gute Kulisse ab für entschlossene Reden. Und eine solche wollte der US-Präsident an diesem Mittwoch halten.

Es ging gegen Mitt Romney, den Gegner bei den Präsidentschaftswahlen am 6. November. Das Debattenfeld diesmal: Außenpolitik. Nein, sagte Obama, er lasse sich vom Republikaner nicht vorwerfen, dass er dem außenpolitischen Niedergang der Vereinigten Staaten bloß zuschaue. Die Entscheidungen für den Rückzug aus dem Irak und Afghanistan seien klug gewesen, ebenso wie der Befehl, Osama Bin Laden in seinem Versteck auszuheben: "Nach einem Jahrzehnt unter den dunklen Wolken des Krieges sehen wir endlich ein Licht am Horizont. Das Ende dieser Kriege wird unsere Streitkräfte stärker machen." Und: Auf Grundlage dieser seiner Außenpolitik werde ein neues "amerikanisches Jahrhundert" anbrechen.

Mit genau dieser Wortwahl reklamiert auch Romney die Präsidentschaft für sich. Obama sei ein Verwalter des politischen Mangels und halte dem sinkenden internationalen Einfluss der Vereinigten Staaten nichts entgegen.

In der Tat hat sich Romney während der heißen Phase der Vorwahlen außenpolitisch als hochfliegender Falke präsentiert. "Wir sollten mit den Taliban nicht verhandeln, wir sollten sie besiegen", sagte er akkurat zu dem Zeitpunkt, als die USA in Katar offiziell ein Verbindungsbüro für die afghanischen Islamisten einrichteten. Und im Atomstreit mit dem Iran erklärte er: "Wenn Barack Obama als Präsident wiedergewählt wird, wird der Iran sich nuklear bewaffnen. Wenn Sie mich wählen, wird der Iran keine Kernwaffen haben." Eine Erklärung, wie genau er das sicherstellen will, blieb der Republikaner allerdings vorerst schuldig.

Russland nannte Romney "unseren geopolitischen Gegner Nummer 1". Den 2009 von Außenministerin Hillary Clinton öffentlichkeitswirksam präsentierten roten Reset-Knopf für die Beziehungen mit Moskau will er wieder zurückstellen. Taiwan soll aufgerüstet, China dagegen mit Handelssanktionen belegt werden, wenn Peking sich zu politischen Aktionen gegen Washington erfrecht oder den Yuan weiterhin nicht signifikant aufwertet.

Diese Positionen mögen wahlkampftauglich sein, im Weißen Haus aber tragen sie nicht. Das weiß auch der republikanische Kandidat selber, viel Mühe sie politisch abzuschleifen hat er sich dennoch nicht gegeben. Die "Romney-Doktrin" hält sich laut New York Times derzeit ideologisch eher an das Lager um den ehemaligen UN-Botschafter unter George W. Bush, John Bolton, als sich von der pragmatischer Realpolitik leiten zu lassen, für die zuletzt eine im Amt gewandelte Außenministerin Condoleezza Rice steht und auch Altmeister in der US-Außen- und Sicherheitspolitik wie die früheren Minister Henry Kissinger, George Shultz, James Baker oder General Brent Scowcroft.

"Sehr weit rechts"

Offen kritisch gegenüber Romneys außenpolitischem Team zeigte sich zuletzt der moderate Republikaner und ehemalige Chef im State Department, Colin Powell. Ein guter Teil der 24 außenpolitischen Berater seien Neokonservative und "sehr weit rechts angesiedelt", 16 von ihnen - der prominenteste ist Bolton - gehörten bereits zu Bushs Regierungsteam.

Besonders Romneys Einschätzung Russlands als geopolitischer Feind Nummer eins fand Powell, der einst den Irakfeldzug der USA vor der Uno wortreich verteidigte, ziemlich exzentrisch: "Komm schon, Mitt, denk nach! Das ist einfach nicht der Fall." (Christoph Prantner, DER STANDARD, 24.5.2012)