Ein Lebenstraum: das Ehepaar Ismen auf seinem Anwesen bei Bodrum. Einer der Olivenbäume soll gar 1000 Jahre alt sein.

Foto: Fabian Kretschmer

Bürgermeister Mehmet Kocadon.

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Lauda Air fliegt ab 14. Juni jeden Donnerstag direkt von Wien nach Bodrum.

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Das pink-weiß gestreifte Kurzarmhemd und die blauen Designerjeans lassen Mehmet Kocadon eher wie einen gesetzten Flaneur im Saint-Tropez-Look erscheinen, dabei ist er der Bürgermeister einer türkischen Ortschaft. Jedoch nicht irgendeiner x-beliebigen Ortschaft, sondern dem türkischen "Saint-Tropez" - weshalb Kocadons Erscheinung auf den zweiten Blick durchaus passt.

Der Fensterblick vom Rathaus auf das Zentrum Bodrums legitimiert den Côte-d'Azur-Vergleich: die Segelboote am Hafen; die weiß getünchten Gebäude, die Boutiquen, Fischrestaurants und Cocktailbars beherbergen; und im Hintergrund die malerischen Ausläufer des Taurusgebirges. Die Männer zeigen auf den Flaniermeilen ihren Status, die Frauen viel Haut und die neueste Sommermode - Kopftücher sucht man vergeblich. Vom Minarett, nur ein Steinwurf vom Rathaus entfernt, laden die Gesänge des Muezzins zum Mittagsgebet. Die Moschee wirkt hier, mitten im Zentrum des türkischen Jetsets, erstaunlich deplatziert, fast dekorativ.

Im Grunde seien die zwei Welten jedoch kein Widerspruch, findet der Politiker der sozialistischen Oppositionspartei: "Bodrum ist noch freier als der Rest der Türkei. Hier kann jeder leben, wie er will" - und daher könne hier westlicher Lebensstil genau wie islamische Frömmigkeit wunderbar nebeneinander existieren. Sichtlich stolz ist er darauf, was Bodrum in der Türkei symbolisiert. Weltoffen ja, aber vor allem auch luxuriös. Im Grunde wie Mehmet Kocadon selbst: Er stammt aus einer der ältesten, sicher aber aus einer der reichsten Familie Bodrums. Sein Besitz reicht von Luxusrestaurants über einem Vintage-Fuhrpark bis hin zum Grund eines ganzen Dorfes.

Nicht obwohl, sondern gerade weil ihr Bürgermeister nicht aus dem einfachen Volk stammt, vertrauen ihm die Leute hier. Kocadon ginge es, so denken viele Einheimische, wirklich um das Wohl der Ortschaft. Vor Korruption sei er gefeit, schließlich habe er Geld genug.

Auch wenn Antalya geografisch gesehen nur 300 Kilometer entfernt liegt, trennen die beiden Orte doch Welten - und das soll laut Kocadon auch längerfristig so bleiben: "Unser touristischer Erfolg beruht auf drei Säulen: den Unterkünften, dem Lifestyle und der Kultur", findet Kocadon. Bis auf die historisch gewachsene Kultur wurden die anderen zwei Säulen Bodrums vor allem von Nichteinheimischen geprägt und vorangebracht: nämlich den Oberschichtsfamilien Istanbuls.

Angefangen hat alles mit dem Schriftsteller Cevat Sakir, der 1925 aufgrund eines kritischen Zeitungsartikels in Bodrum Exil ersuchte. Die faszinierende Landschaft und Ursprünglichkeit des Fischerdorfes verewigte er so prominent in seinen Novellen, dass Bodrum schon bald zur mondänen Sommerfrische der Istanbuler avancierte.

So auch für das Ehepaar Ismen: Die beiden Ingenieure haben kurz vor ihrem Ruhestand ihr Haus am Bosporus mitten in Istanbul gegen ein Anwesen in Bodrums Hinterland eingetauscht. Vom Großstadtleben hatten sie genug, statt Meetings und Büroarbeit besteht ihr Alltag mittlerweile aus Ziegenzucht und Olivenernte. Vom Käse bis zum Olivenöl bauen sie nahezu all ihre Lebensmittel selbst an.

Doch ihr ganzer Stolz befindet sich unter ihrem Haus: Im Keller hat das Ehepaar jüngst einen 4000 Quadratmeter großer Weinkeller eingeweiht. Als erstes Weingut haben sie es geschafft, die würzige Zinfandel-Traube in der Türkei zu kultivieren. Durch die konstanten Passatwinde, so beteuert Selva Ismen, mischen sich die Aromen 80 Meter über dem Meeresspiegel im Hinterland der ägäischen Küste besonders intensiv.

Die beiden wollen die ansässigen Hotels mit ihren Weinen beliefern - ein profitables Geschäftsmodell. "Hier in Bodrum gibt es schließlich noch keine Konkurrenz", weiß Selva Ismen und fügt in Anspielung auf ihre zukünftigen Kunden hinzu: "Wo steht sonst schon ein Kempinski direkt neben einem 4 Seasons?" Nicht zuletzt ist das Weingut der beiden ein persönlicher Lebenstraum. "Träume", so sagt die Winzerin voller Pathos, "werden manchmal eben wahr." (Fabian Kretschmer, Album, DER STANDARD, 26.5.2012)