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Annans Pressekonferenz am Sonntag im Dama-Rose-Hotel in Damaskus, wo auch die UN-Beobachtermission ihren Sitz hat.

Foto: EPA/YOUSSEF BADAWI

Damaskus/Beirut - Nach dem Massaker an mehr als 100 Zivilisten in der syrischen Stadt Al-Houla kommt der UNO-Sondergesandte Annan am Dienstag in Damaskus mit Syriens Präsident Bashar al-Assad zusammen. Auch Gespräche mit Oppositionsvertretern sind geplant. Dabei will der frühere UNO-Generalsekretär erneut für seinen Friedensplan werben. Diplomaten in der Region nannten den Besuch Annans "entscheidend" für die Friedensinitiative.

Die syrische Opposition und viele Experten sehen den Plan, der eine Waffenruhe beinhaltet, schon jetzt als gescheitert an. Nach seinem Eintreffen in Syrien am Montag hatte Annan das Massaker als "schockierendes Ereignis mit schweren Folgen" bezeichnet. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, forderte Annan. Der Sondergesandte von UNO und Arabischer Liga rief "jeden mit einer Waffe" auf, sich an den von ihm vorgelegten Friedensplan zu halten und der Gewalt ein Ende zu setzen.

Schlimmste Gräueltat seit Beginn der Proteste

Bei dem Angriff auf eine Siedlung bei Al-Houla in der Provinz Homs waren am Freitag mehr als 110 Menschen getötet worden, etwa ein Drittel davon Kinder. Nach Angaben des Leiters der UNO-Beobachtermission in Syrien, General Robert Mood, wurden die meisten Opfer durch Granatsplitter oder Schüsse aus nächster Nähe getötet. Es gebe Spuren von Panzer- und Granatwerferfeuer. Das Massaker war die schlimmste Gräueltat an einem Ort seit dem Ausbruch der Proteste gegen das Assad-Regime vor fast 15 Monaten.

Bluttat scharf verurteilt

Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Bluttat scharf und wies dem Regime eine Mitverantwortung zu. Die Führung in Damaskus wies jedoch jede Schuld von sich und machte "terroristische Banden" dafür verantwortlich.

Auch am Montag berichteten syrische Aktivisten von neuen Bluttaten. Bei einem Angriff der Regierungstruppen auf Wohnviertel in der Stadt Hama seien 34 Menschen umgekommen, unter ihnen sieben Kinder und Jugendliche. Landesweit seien von Samstag bis Montag 108 Menschen getötet worden, meldeten Aktivisten. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist nicht möglich.

Weltsicherheitsrat gefordert

Die syrische Opposition forderte den Weltsicherheitsrat auf, seine Verantwortung zum Schutz des syrischen Volkes zu übernehmen. Eine entsprechende Erklärung veröffentlichten drei Gruppen der syrischen Opposition am Montag nach einem Treffen in Bulgarien, wie das bulgarische Außenministerium mitteilte.

Der UNO-Sicherheitsrat machte die syrische Regierung mitverantwortlich für das Massaker. In einer Erklärung vom Sonntagabend verurteilte er "die durch Beobachter der Vereinten Nationen bestätigten Tötungen Dutzender Männer, Frauen und Kinder und die Verletzungen hunderter weiterer (Menschen) in der Ortschaft Houla bei Homs durch Angriffe, die mit anhaltendem Artillerie- und Panzerbeschuss durch Regierungseinheiten auf eine Wohngegend einhergingen". 

Russland vermieden einseitige Verurteilung

Die UNO-Erklärung wurde nach anfänglichem Widerstand Russlands einstimmig verabschiedet. Moskau hatte Zweifel an der Verantwortung der syrischen Führung geäußert und machte sowohl Damaskus als auch die Opposition für das Massaker verantwortlich. Außenminister Sergej Lawrow sagte nach einem Treffen mit seinem britischen Amtskollegen William Hague in Moskau, die internationale Gemeinschaft sollte den Annan-Plan umsetzen und keinen "Regimewechsel" in Syrien betreiben. Hague warnte vor mehr Chaos und einem Bürgerkrieg, wenn der Annan-Plan nicht umgesetzt werde.

Der französische Präsident Francois Hollande und der britische Premierminister David Cameron kündigten bei einem Treffen in Paris an, gemeinsam darauf hinwirken zu wollen, "dass der Druck der internationalen Gemeinschaft auf Bashar al-Assad wächst".

"Der mörderische Wahnsinn des Regimes in Damaskus stellt eine Bedrohung für die regionale Sicherheit dar", hieß es in der Elysee-Erklärung. Die Missachtung der im Sechs-Punkte-Plan des Syrien-Sonderbeauftragten Annan vorgesehenen Waffenruhe durch die Assad-Regierung sei "inakzeptabel". Das nächste Treffen der sogenannten Gruppe der Freunde Syriens, der neben arabischen Ländern die USA und führende europäische Staaten angehören, soll demnach in Paris stattfinden. Ein Datum steht noch nicht fest.

Beide Politiker hätten den Wunsch geäußert, gemeinsam mit Russland an einer Lösung der Krise zu arbeiten. Hollande werde am 1. Juni in Paris den russischen Präsidenten Wladimir Putin empfangen und mit ihm bei dieser Gelegenheit die Lage in Syrien besprechen.

US-Generalstabschef: "Können militärische Varianten vorlegen"

US-Generalstabschef Martin Dempsey sagte in einem Interview des Senders CBS, es müsse weiter auf Diplomatie und wirtschaftlichen Druck gesetzt werden, bevor über militärische Schritte gesprochen werde. "Wir sind aber bereit, Varianten vorzulegen, wenn wir danach gefragt werden", ergänzte er.

Syrien macht Islamisten verantwortlich

Die syrische Führung wies die Verantwortung für die Gewalttaten in Houla zurück und machte militante Islamisten verantwortlich. Hunderte Bewaffnete hätten die Tat verübt, hieß es in einem Brief des syrischen Außenministeriums an den UN-Sicherheitsrat, über den das staatliche Fernsehen am Montag berichtete. Auch sei nicht ein einziger Panzer der syrischen Armee in der Region gewesen. Die bewaffneten Terroristen hätten ihre Opfer mit Messern getötet, was typisch für Islamisten sei. Syrische Soldaten hätten sich dann selbst gegen die Angreifer verteidigen müssen. Dennoch seien bei dem Vorfall am Freitag drei der Soldaten getötet und 16 weitere verletzt worden.

Das syrische Außenministerium bestätigte, dass am Dienstag ein Treffen mit Assad angesetzt sei. Vor sechs Wochen war Annans Plan für eine Waffenruhe zwischen Regierungstruppen und Oppositionellen in Kraft getreten, die Gewalt hält aber an. (APA, 29.5.2012)