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Cleopatra (Cecilia Bartoli) und Cesare (Andreas Scholl) in raren Momenten des Intimen.

Foto: APA / HANS JOERG MICHEL

Salzburg - Keine Ahnung, ob diese Premiere von Händels Giulio Cesare in Egitto die passionierte Verehrerin des barocken Komponisten, Autorin Donna Leon, die in Salzburg bei den Pfingstfestspielen anwesend war, zu einem neuen Krimi inspiriert hat. Wäre dem so, würde das Buch womöglich von zwei Opernregisseuren handeln, die, von Sängern entführt, einer besonderen Folter unterzogen würden. Vor versammeltem Entführungsensemble müssten sich beide zunächst zum Aufwärmen in Soldatenuniformen tanzend lächerlich machen.

Dann aber ginge es zur Sache: Die Regisseure dürften, während sie in einer Hand ein Herrenmagazin halten, mit der anderen heftig in Unterhosentiefen an sich herumfummeln. Auch wären sie angehalten, sich mit jenen Gedärmen, die in einer Puppe versteckt wären, zu beschmieren und diese natürlich auch zu verspeisen. Beide wären dabei von den Sängern jedoch nur zu jenen Aktionen gezwungen worden, die sie zuvor bei einer Produktion den Sänger abgenötigt hätten.

Derbes Theater

Frau Leon müsste für solche Ideen keinerlei Fantasie aufbringen. All die oben erwähnten Foltermethoden haben die Regisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier bei den Pfingstfestspielen eingesetzt. Es wäre natürlich unzulässig, bei einer fünfstündigen Aufführung nur die paar Ausflüge ins wurstelpraterhafte Theater hervorzukehren. Allein, es entfalten diese Derbheiten an markanten Stellen einer die Figuren über weite Strecken sinnvoll führenden Inszenierung eine fatale Wirkung, die alles an Subtilität Aufgebaute pulverisiert. Als Petitesse kann man das nicht abtun.

Jedenfalls ist man hier im Nahen Osten. Krokodile (wenn es um Selbstmordgedanken geht, steckt man den Kopf ins Krokodilsmaul) und Ölbohrtürme (Bühne: Christian Fenouillat) zieren das Ambiente, in das Cesare mit einer Limousine vorfährt, auf deren Dach jene Puppe ist, die später Tolomeo (hervorragend Christophe Dumaux) von ihren Gedärmen befreien wird. Es ist also eine erhitzte Kriegsgesellschaft zu sehen, die auch versucht, sich eine neue Ordnung zunutze zu machen. Cesare ist dabei ein Ober-EU-Kaiser, der gleich Ölgeschäfte abschließt.

Oberflächlich und grell

Nun hat aber Händels Musik eine Tiefe und Sogwirkung, die immer wieder zu Reisen in die Psychen der auch ihre intimen Sehnsüchte und Ängste ausbreitenden Figuren verführt. Und hier kommt auch diese mit oberflächlich-greller Symbolik arbeitende Regie schön in Berührung mit dem Stück, tastet für Augenblicke seelische Abgründe ab und zeigt, was an Substanz in ihr steckt.

Also: Sollte es bei der Wiederaufnahme im Sommer möglich sein, jene die Wirkung der Musik auflösenden Albernheiten zu verbannen (der Panzer am Ende hat immerhin nicht auf das buhende Publikum geschossen!), könnte die Inszenierung so abheben, wie Cecilia Bartoli in jener Szene, da sie auf einer Bombe davonschwebt.

Sie ist als Cleopatra eine souveräne Kokette und vokal (akzeptiert man ihr zartes Dauervibrato) ein Wunder an Geläufigkeit und quirliger Intensität. Andres Scholl, dieser lyrische Ausnahmekünstler, gibt Cesare wiederum präzise als machtbewussten, schlauen Diplomaten. Überhaupt darf man die Gesangsleistungen als sehr gut (besonders Philippe Jaroussky als Sesto und Anne Sofie von Otter als Cornelia) bezeichnen. Dirigent Giovanni Antonini und Il Giardino Armonico reüssieren zumindest als ausdauernde Advokaten des Dramatisch-Motorischen. Der Orchesterklang ist im Poetischen jedoch etwas fahl; somit war das Gute einseitig angelegt. Nächstes Jahr, zu Pfingsten, hört man übrigens Bartoli als Bellinis Norma. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 29.5.2012)