Bild nicht mehr verfügbar.

Börsenparket und schreiende Händler war gestern. Heute übernehmen Computer den Handel mit Aktien und anderen Wertpapieren.

Foto: AP/Henny Ray Abrams

Berlin - Deutschland soll nach dem Willen der schwarz-gelben Koalition bei der Regulierung des superschnellen Computerhandels an Börsen vorpreschen. Nach den Plänen soll die Börsenaufsicht jederzeit den umstrittenen Hochfrequenzhandel stoppen können. Einen entsprechenden Vorstoß für einen nationalen Alleingang bestätigten Finanzexperten von Union und FDP am Dienstag in Berlin. Erfahrungen in Deutschland sollten dann in die geplanten EU-Regeln einfließen.

Beim automatisierten Hochfrequenzhandel werden Computer mit komplizierten Formeln und mathematischen Algorithmen gefüttert. Der superschnelle Handel per Auto-Pilot gilt als ein Auslöser vieler Börsen-Turbulenzen. Innerhalb von Millisekunden werden Aktien gekauft und wieder verkauft, um minimale Kursdifferenzen zu nutzen und Milliarden zu bewegen. Der stark zugenommene "Algo-Handel" macht Kettenreaktionen und Betrugsfälle wahrscheinlicher. Fallen Kurse, zieht dies weitere Verkaufswellen nach sich, was Panik auslösen kann.

Auf Null bremsen

"Die Börsenaufsicht muss jederzeit in der Lage sein, den Handel auf Null abzubremsen, wenn Risiken erkannt werden", sagte FDP-Finanzexperte Volker Wissing der "Financial Times Deutschland" (FTD). "Wir dringen auf eine nationale Lösung und wollen nicht warten." Bis Ende Juni solle ein Eckpunktepapier stehen, im Herbst soll es einen Gesetzesvorschlag geben.

Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Klaus-Peter Flosbach (CDU), erklärte: "Wir sollten das, was wir bereits jetzt tun können, auch abarbeiten und nicht warten, bis entsprechende Regelungen auf europäischer Ebene ausverhandelt sind. Das kann noch lange dauern." Die bestehenden Defizite müssten beseitigt werden.

Es gebe zum Beispiel keine Erlaubnispflicht für Unternehmen, die den Hochfrequenzhandel betreiben. Es müsse auch die Möglichkeit zur Handelsunterbrechung bei erheblichen Preisbewegungen geben. Regeln zur Verhinderung von Marktmissbrauch müssten konkretisiert werden.

Politikern und Regulierern auch auf EU- und internationaler Ebene ist der von Computern gesteuerte Handel mit Aktien, Anleihen und Geld seit langem ein Dorn im Auge. Die EU-Kommission hatte im Oktober Vorschläge gemacht. Auch Banken und Börsen wollen in die Offensive gehen und so schärfere Vorgaben oder gar Verbote durch die Politik verhindern. Unter anderem riefen Top-Banker Betreiber von Handelsplattformen auf, ihre Hochfrequenz- und Algo-Handelsstrategien zu überprüfen und mit den Aufsichtsbehörden Maßnahmen auszuloten.

Offenlegung

Die Berliner Koalition will laut "FTD" Händler nun verpflichten, ihre Algorithmen der Börsenaufsicht offenzulegen, zumindest bei Nachfragen. Bisher haben Börsen und Behörden keinen Zugriff auf die Software und ihre Programmierer. Aufseher können deshalb nachträglich nur schwer nach Ursachen für extreme Preisausschläge suchen.

Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, den Hochfrequenzhandel bei raschen Kursschwankungen stoppen zu lassen. Handelsplattformen und Börsen müssten dann Sicherungssysteme in ihre Software einbauen.

In der Koalition gibt es schon seit langem Bestrebungen, den Hochfrequenzhandel einzudämmen. Auch im Zusammenhang mit der Finanztransaktionssteuer, gegen die es in der FDP Vorbehalte und in einigen EU-Ländern erheblichen Widerstand gibt, wird über entsprechende Maßnahmen nachgedacht. Ins Gespräch gebracht wurde auch, den superschnellen Computerhandel ganz zu verbieten. In einem Antrag zur Regulierung der Rohstoffmärkte hatten Union und FDP auch gefordert, alle Hochfrequenzhändler unter Finanzaufsicht zu stellen.

Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler hatte den Hochfrequenzhandel als Teil eines Acht-Punkte-Plans zur Regulierung der Finanzmärkte ins Visier genommen. So sollten nach den Plänen künftig an allen Börsen der EU automatische Handelsunterbrechungen bei starken Kursschwankungen möglich sein. Eine solcher Stopp ist bei den meisten deutschen Börsen bereits üblich. (APA, 29.5.2012)