Michael hat Angst, wie auch seine Peiniger.

Foto: Screenshot Homophobia

Junge Männer beim Bundesheer wecken Assoziationen mit dummen Sprüchen über Schwule und Frauen, Gegröle und viel Bier. Für viele Männer dient diese Zeit der Festigung ihrer männlichen Identität, die sie vor allem in ihrer Heterosexualität zu finden meinen. Doch Begegnungen mit einer Männertruppe auf dem Weg in die Kaserne werfen Fragen darüber auf, ob innerhalb dieser tatsächlich alles so einheitlich ist, wie die gemeinsame moosgrüne Kleidung und der militärische Haarschnitt vermitteln: Was, wenn einer darunter ist, der die Oben-ohne-Plakate von Frauen in den Spinden nicht geil findet? Was, wenn einer keine Lust auf machistische Gesten hat, wozu - wie das Amen im Gebet - noch immer der Angriff auf Männlichkeit durch das Wort "schwul" gehört.

Wie rigide über diese als "männlich" akzeptierten Verhaltensnormen gewacht wird, zeigt der Kurzfilm "Homophobia", der bei einem Assistenzeinsatz zur Grenzüberwachung an der burgenländischen Grenze spielt. Die Überwachung wird auch untereinander fortgesetzt, eine Kontrolle, die kein diktatorischer Staat konsequenter durchziehen könnte: Ein Blick zu viel in der Gemeinschaftsdusche oder ein kleines Zeichen der Schwäche oder Verunsicherung - die Kameraden werden es merken und nicht straflos durchgehen lassen.

Die Kontrolle ist überall

"Homophobia" spielt inmitten dieser einander beobachtenden Kameradschaft, in der auch die Hilfsangebote von Autoritäten innerhalb der Kaserne ausgeschlagen werden. Denn von der Erkenntnis, dass dem schwulen Michael Unrecht geschieht, ist sogar er selbst noch weit entfernt. Genauso wie seine Kameraden hat auch er selbst kein Bild für seine Zukunft als schwuler Mann parat. Am Land, mit einem Bauernhof, den er übernehmen soll. Die Lebensentwürfe oder Rolemodels dazu fehlen gänzlich.

In der bedrückenden Stimmung zwischen Feindseligkeit gegenüber "Andersartigkeit", Ignoranz oder einfach nur Unwissenheit stellt Regisseur und Drehbuchautor Gregor Schmidinger nicht den mit Homophobie so oft verbundenen Hass auf Homosexuelle ins Zentrum, sondern die Phobie. Die Angst vor dem Fremden oder auch vor den eigenen Gefühlen steht für Schmidinger im Vordergrund. Und diese Angst trifft in "Homophobia" praktische alle: den Bösewicht, der zwar gewalttätig auf Homosexualität reagiert, doch gleichzeitig in der körperlichen Gewalt selbst homoerotische Lust erfährt, was nicht zuletzt die Panik in seinem Blick verrät; Michael selbst, wenn er seine Gefühle einfach nicht kategorisieren kann und keinen Platz mehr für sich in seinem Umfeld findet; und den Kollegen, der Zeuge der bodenlosen Verzweiflung Michaels wird.

Es ist die Angst

Diese Umleitung hin zum Aspekt der Angst gelingt dem Film ebenso, wie einen völlig anderen Status quo des gesellschaftlichen Umgangs mit Homosexualität in Erinnerung zu rufen. Angesichts der omnipräsenten Life-Ball-Berichterstattung und der oftmaligen Verortung von Homosexualität in urban-liberalen Kontexten gerät die Situation von Lesben und Schwulen abseits dieser Felder leicht aus dem Blick. Das Bundesheer ist hier nur eines von vielen. Wie viele junge Menschen sich noch immer kein Leben als Homosexuelle vorstellen können, zeigt eine Studie der Universität Salzburg aus dem Jahr 2004. Laut dieser Untersuchung (mehr dazu hier) ist die Suizidversuchsrate von Homosexuellen fast siebenmal höher als bei Heterosexuellen, und beinahe jeder dritte Suizidversuch in Österreich wird von einem gleichgeschlechtlich orientierten Menschen begangen.

Der unter anderem über Crowdfunding finanzierte 23-minütige Film wurde nach seiner Premiere am Internationalen Tag gegen Homophobie, dem 17. Mai, ins Netz gestellt. (beaha, dieStandard.at, 30.5.2012)