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US-Präsident Obama mit seinem Nationalen Sicherheitsberater Tom Donilon.

Foto: Charles Dharapak/AP/dapd

Washington - Ein makaberes Prozedere spielt sich laut "New York Times" seit geraumer Zeit im Lageraum des Weißen Hauses ab: US-Präsident Barack Obama überwacht dem US-Blatt zufolge persönlich die Auswahl der Ziele für die Drohnenangriffe auf Anhänger von Al-Kaida und anderen Terrorgruppen. Am Ende eines mehrstufigen "Nominierungsprozesses" segne Obama ab, welche Verdächtigen auf die "Todesliste" kommen, berichtete die Zeitung am Dienstag unter Berufung auf ehemalige Berater und Spitzenbeamte. Dazu werden dem US-Präsidenten Dokumente "im Stil eines High-School-Jahrbuches" vorgelegt, das Biographien und Photos der Zielpersonen beinhaltet. Mehrere der Zielpersonen sollen US-Staatsbürger sein. Die Treffen mit Spitzenvertretern von Geheimdiensten und dem US-Militär fänden immer am Dienstag statt, weswegen dieser von Insidern auch "Terror Tuesday" genannt werde.

"Er ist entschlossen, dass er die Entscheidungen für das Ausmaß der Operationen trifft", zitierte die Zeitung Obamas Berater für Nationale Sicherheit, Tom Donilon. Die "New York Times" beschreibt Einzelheiten des streng geheimes Auswahlprozesses, bei dem rund hundert Antiterrorismus-Experten des Pentagon Verdächtige vorschlagen, gegen die Drohnenangriffe im Jemen und in Somalia ausgeführt werden sollen. In den pakistanischen Stammesgebieten ist der US-Auslandsgeheimdienst CIA für die Vorauswahl zuständig.

Ausweitung der Angriffe

Die Informationen werden dem Bericht zufolge dann an den Präsidenten weitergeleitet, der für jeden Drohnenangriff in Jemen und in Somalia sowie "besonders komplexe und riskante Angriffe" in Pakistan grünes Licht gebe. Die "New York Times" beschreibt den Ablauf der Beratungen Obamas mit seinen Anti-Terror-Experten im "Situation Room", dem Lagezentrum im Weißen Haus, bei denen der Präsident Fotos und Kurzbiographien der Verdächtigen studiert, Fragen stellt und schließlich über Leben und Tod entscheidet.

Obama hatte zu Beginn seiner Amtszeit den Friedensnobelpreis erhalten. Ungeachtet dessen weitete er im Kampf gegen den Terrorismus die US-Drohnenangriffe massiv aus. Ende Januar hatte Obama erstmals öffentlich den Einsatz von Drohnen in Pakistan bestätigt und versichert, dass die Zahl getöteter Zivilisten niedrig sei.

Kritik

Spitzenbeamte kritisierten in der "New York Times jedoch, dass angeblich "einstellige" Zahlen von zivilen Opfern in Pakistan "unrealistisch" seien. So würden alle getöteten Männer, die sich in der Nähe des Ziels des Angriffs befunden hätten, automatisch als feindliche Kämpfer eingestuft.

Der "New York Times" zufolge flogen das US-Militär und die CIA in diesem Jahr bereits mindestens 18 Drohnenangriffe in Pakistan, 22 Attacken im Jemen und einen Angriff in Somalia. Erst am Montag waren bei einem US-Drohnenangriff im Nordwesten Pakistans nach Angaben pakistanischer Sicherheitskräfte mindestens fünf Aufständische ums Leben gekommen. Die Angriffe sind in der pakistanischen Bevölkerung extrem umstritten, werden von der Regierung in Islamabad aber toleriert. (red/APA, 29.5.2012)