Ein 7.000 Jahre altes Ehrengrab eines mächtigen "österreichischen" Bauern: Als Zeichen für seinen besonderen Status wurde ihm eine Axt (im Rücken) mit zur letzten Ruhe gelegt.

Foto: BDA, Neugebauer

Reichtum und Macht scheinen heute ungleicher denn je verteilt: Einige wenige - meist Männer - verfügen über Milliardenvermögen und entsprechenden politischen Einfluss. Die überwiegende Mehrheit muss, global betrachtet, mit Brosamen auskommen. Doch wie weit reichen die Wurzeln der sozialen Ungleichheit und die Hierarchie in den Geschlechterbeziehungen zurück?

Ein internationales Forscherteam, an dem auch die Wiener Anthropologin Maria Teschler-Nicola beteiligt war, hat nun in über 7000 Jahre alten Zähnen und Gräbern überraschend frühe Spuren ungleicher Machtverhältnisse gefunden, nämlich in der sogenannten Linearbandkeramik-Kultur, der ersten sesshaften Bauerngesellschaft in Mitteleuropa, die vor rund 7500 Jahren in Europa für einen Kulturbruch sorgte.

War Mitteleuropa bis dahin nur dünn mit Jägern und Sammlern besiedelt, so siedelten sich damals von Osten her Menschen an, die Ackerbau und Viehzucht betrieben. Dieser Prozess änderte die soziale Organisation der Gesellschaft der Frühsteinzeit fundamental. Doch wie genau die Menschen zusammenlebten, konnte bisher nur vermutet werden - und genau das wollte das Team um Teschler-Nicola, Direktorin der Abteilung für Anthropologie des Naturhistorischen Museums Wien (NHM), nun rekonstruieren.

Mobile Frauen, sesshaftere Männer

Dazu haben die Forscher die sogenannte Strontium-Signatur von Zähnen von mehr als 300 Menschen aus frühsteinzeitlichen Gräbern in Mitteleuropa analysiert, wodurch sich auf die Sesshaftigkeit der frühen Bauern und Bäuerinnen schließen lässt. Dabei zeigte sich, dass die Signale von Frauen deutlich stärker variierten als jene von Männern - ein starkes Indiz dafür, dass die Frauen mobiler als die Männer waren.

Für Teschler-Nicola sind das Hinweise auf sogenannte patrilokale Gesellschaftsformen, in denen die Männer die Macht hatten: "Sie waren die Hofbesitzer und blieben an Ort und Stelle, während die Frauen mobil waren." Doch der soziale Unterschied zwischen Männern und Frauen bereits vor über 7000 Jahren war nicht die einzige Erkenntnis der Forscher.

Die fanden in den Gräbern von Männern nämlich auch noch Steinäxte als besondere Grabbeigaben. Und wie die Strontium-Signaturen der Zähne zeigten, waren diese Männer eindeutig ortsansässiger als jene Männer, in deren Gräbern keine Beigaben gefunden wurden. Die Forscher schließen daraus, dass einige ortsansässige Männer schon vor über 7000 Jahre über mehr Besitz und Macht verfügten - für Teschler-Nicola ein Hinweis darauf, dass "soziale Ungleichheit älter ist als bisher gedacht". (APA/tasch, DER STANDARD, 30.5.2012)