Bild nicht mehr verfügbar.
Wien - Bianca Jagger will trotz der nahezu aussichtslosen Lage weiterhin gegen das umstrittene brasilianische Staudammprojekt Belo Monte im Amazonas kämpfen. "Solange es noch ein bisschen Hoffnung gibt, müssen wir uns weiter gegen Belo Monte stark machen", sagte die Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin, die auch Trägerin des alternativen Nobelpreises ist, am Mittwoch bei einer WWF-Pressekonferenz in Wien. Harsche Kritik übte sie am österreichischen Hydrotechnologieunternehmen Andritz, das am Kraftwerkbau beteiligt ist.
Österreicher allein zu Haus
Mit einem Projektvolumen von 330 Millionen Euro sei Belo Monte der größte Hydro-Deal in der Geschichte des Unternehmens. Neben Belo Monte sei Andritz noch an anderen umstrittenen Staudammprojekten beteiligt, wie etwa dem Illisu-Kraftwerk in der Türkei - aus dem sich wegen Umwelt- und Menschenrechtsbedenken alle europäischen Investoren bis auf die Österreicher zurückgezogen hätten, so Jagger. Sie sei unter anderem nach Österreich gekommen, um Investoren aufzurufen, erst dann wieder in Andritz zu investieren, wenn das Unternehmen seine Philosophie ändere und Umwelt- und Menschenrechtsfrage mehr Platz einräume. Vertreter von Andritz wird Jagger während ihres Wien-Aufenthalts nicht treffen.
Besondere Kritik übte Jagger, wie auch die ebenfalls an der Pressekonferenz teilnehmende Geschäftsführerin von WWF, Hildegard Aichenberger, und die Vertreterin der Dreikönigsaktion, Anna Hirtenfelder, an der Verleihung des Österreichischen Staatspreises für Umwelt- und Energietechnologie an Andritz. Diesen hatte das Unternehmen 2010 für ein besonders energieeffizientes Staudammprojekt in Italien erhalten.
"Moderne Form des Kolonialismus"
Dass der Amazonas auch Auswirkungen auf Österreich habe, unterstrich Aichenberger. Der größte Regenwald der Erde und der positive Effekt, den er auf die Eindämmung der Klimaerwärmung habe, sei der Grund, warum die Klimakatastrophe bisher noch nicht eingetreten sei. Durch den Bau von Belo Monte würde jedoch der Xingu, einer der wichtigsten Nebenarme des Amazonasflusses zu 80 Prozent trockengelegt und der autochthonen Bevölkerung, die großteils vom Fischfang lebe, die Lebensgrundlage entzogen. Aichenberger zeigte sich überzeugt, dass ein ähnliches Projekt in Österreich nie möglich wäre. "Wir tun in anderen Ländern Dinge, die wir in Österreich nie zulassen würden, das ist eine moderne Form des Kolonialismus."
Belo Monte werde stets als nachhaltiges Energieprojekt präsentiert, sagte Bianca Jagger abschließend, dies treffe jedoch keinesfalls zu. Die Alternative zu umstrittenen Staudammprojekten sieht sie in "echter nachhaltiger und erneuerbarer Energie". Dass dies möglich sei, zeige etwa das Beispiel Deutschland, wo es kürzlich gelungen sei 22 Gigawattstunden Strom mittels Solarzellen zu erzeugen, was der Leistung von 20 Atomkraftwerken entspräche. Um Brasilien zum Einsatz nachhaltiger Energietechnologien und zum Stopp des Kraftwerksbaus in Belo Monte zu bewegen, brauche es freilich auch bilateralen Druck. Um dafür Stimmung bei der österreichischen Regierung zu machen, hat die Exfrau von Rolling Stone Mick Jagger, die sich seit Jahrzehnten weltweit für Umweltschutz und Menschenrechte engagiert, für Mittwoch noch ein Treffen mit Außenminister Michael Spindelegger und Umweltminister Nikolaus Berlakovich geplant.
Mit einer Leistungskapazität von 11.233 Megawatt soll Belo Monte zum drittgrößten Wasserkraftwerk der Welt werden. Die Kosten belaufen sich laut WWF auf 18 Milliarden Dollar, 20.000 Menschen müssten umgesiedelt werden. Laut amtlichen Angaben wird eine Fläche von 500 Quadratkilometern geflutet, 16.000 Menschen sollen umgesiedelt werden. (APA, 30.5.2012)