"Endless Flower", schamhaft verhüllt.

Foto: Souterrain Transmissions

CROCODILES Endless Flowers (Souterrain Transmissions)
In Anlehnung an ein berühmtes Gemälde Marcel Duchamps, nennen die Münchner Popakademiker FSK ihre akute Platte "Akt, eine Treppe hinabsteigend". Die Crocodiles aus San Diego nennen ihr drittes Album zwar "Endless Flower", zeigen auf dem Cover aber tatsächlich einen männlichen Akt, die Treppe herabsteigend. Allerdings so naturalistisch, wie man es aus vergilbten Pornoheftln aus den Zeiten vor den Freuden aus dem Internetz kennt. Amateuraufnahme, romantiziert durch einen Strauß Blermpeln, wie der Landvogt den Blumenstrauß nennt. Gebe es auf diesen Seiten zum Jahreswechsel die Rubrik hässlichstes Cover des Jahres, wir hätten Anfang Juni schon einen Favoriten. Die Musik ist dann vergleichsweise konventionell. Hübscher Indierock, ein bisschen schärfer als so mancher Hornbrille lieb sein dürfte, melodieselig, stellenweise von Streichern unterfüttert, etwas hirntot. Das Cover, das kann's. Und FSK? Schweigen.

LEE HAZLEWOOD The LHI Years (Light In The Attic)
Mit dieser zweiten Besprechung wächst sich die dieswöchige Musikrundschau zu einem Schwerpunkt zum Thema Nackerte auf Plattencovern aus. Auf dieser posthumen Veröffentlichung sieht man den Meister des Keller-Country von zehn barbusigen Damen bekniet, deren Verehrung und Begehren für ihren Angebeteten so weit geht, dass sie sich einem Bart wachsen haben lassen wie er ihn trägt. Natürlich würdigt Lee sie keines Blickes, heute würde man ihn dafür mit Zitronen steinigen. Um auf dem züchtigen US-Markt bestehen zu können, ist ein Papierbalken über die 100 Prozent silikonfreien Damen geschoben worden, der erst nach dem Abnehmen der Plastikumhüllung die ganze Pracht der Natur freigibt. Ach ja, die Musik. Die ist natürlich auch ohne Augenjause super. Singles, Raritäten und B-Seiten von Veröffentlichungen auf Lees Label "Lee Hazlewood Industries" aus den Jahren 1968 bis 1971. Das bedeutet eher wenig Country, dafür ins kitschig gehende Zweideutigkeiten für den Connaisseur. Der Höhepunkt: "The Night Before" vom Album "Cowboy in Sweden". Ein Kater-Klassiker am Rande der Melodramatik, hochökonomisch umgesetzt. Hazlewood braucht der Mensch. Und einen Schnurrbart.

BEACH HOUSE Bloom (Universal)
Das US-französische Duo Victoria Legrand und Alex Scally spielt seit Jahr und Tag weihevoll fluffige Popmusik in moll, die sich nie ganz zwischen zärtlicher Weichzeichnertechnik für angenehme Tagträume vor einem David-Hamilton-Poster und lebensmüdem Sirenengesang für "Twilight"- und "True-Blood"-Teenievampir-Themenpartys entscheiden kann. Deshalb bleibt sie in gewisser Hinsicht viertelinteressant. Auch wenn man das von der im Zeichen Gundel Gaukeleis stehenden Elterngeneration mit Leuten wie den Cocteau Twins oder Siouxie And The Banshees (unter Abzug von deren Ausdruckstanzdramatik) schon souveräner umgesetzt gehört hat und sich im Segment nachdenklicher junger Leute soundmäßig seit der Entdeckung von a- und d-moll tief drinnen im mit dunklem Samt ausgelegten Hallraum nicht mehr viel getan hat, kann man sich bei Beach House auf eines einigen: Es ist ziemlich egal, ob man das neue Album hört oder nicht. Beides ist zu befürworten. Das ist das netteste, das man über die derzeit grassierende Dreampop-Welle sagen kann. (flu/schach, Rondo, DER STANDARD, 1.6.2012)