Einige Kilometer unterhalb eines Vulkans befindet sich ein flüssiges Reservoir, die Magmakammer, das Vulkanausbrüche speist. Im Magma wachsen Kristalle konzentrisch wie Baumringe. Wenn sich die physikalischen Bedingungen, zum Beispiel die Temperatur, in der Magmakammer ändern, ändert sich auch die chemische Zusammensetzung der Kristalle. Ein internationales Wissenschafter-Team hat nun dieses Wachstum von Kristallen mit seismischen Daten in Beziehung gesetzt und damit eine Methode entwickelt, mit der sich in Zukunft Vulkanausbrüche genauer vorherzusagen lassen könnten.
Lange vermuteter Zusammenhang bestätigt
Die Forscher von der Ruhr-Universität Bochum und der Universität von Bristol analysierten die chemische Zusammensetzung von Gesteinsproben des Mount St. Helens in den USA. Diese Daten korrelierten sie mit seismologischen Messungen von der tödlichen Eruption des Vulkans im Jahr 1980. Resultat: Phasen von stark erhöhtem Kristallwachstum gingen mit zunehmender seismischer Aktivität und stärkeren Gasemissionen einher. Ein erhöhtes Kristallwachstum wiederum zeigt an, dass verstärkt flüssiges Magma in die Magmakammer einströmte, was letztlich den Vulkanausbruch auslöste. Damit bestätigten die Forscher den lange vermuteten Zusammenhang zwischen dem Magmafluss tief in der Erde und Anzeichen für einen Vulkanausbruch an der Oberfläche.
Zeitliche Informationen aus den Kristallringen zu extrahieren, ist ein Spezialgebiet des Bereichs Petrologie am Institut für Geologie, Mineralogie und Geophysik in Bochum. Eine ähnliche Studie führten die RUB-Wissenschaftler zusammen mit Wissenschaftlern aus Singapur und Pisa bereits an einem anderen aktiven Vulkan durch, dem Aetna in Italien (veröffentlicht in Earth and Planetary Science Letters, 2011). Für diese Studien nutzen die RUB-Forscher die Information, wie schnell sich bestimmte Elemente durch Minerale bewegen (Diffusion). Die Bestimmung dieser Diffusionsraten ist ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der Petrologen in Bochum.
Genauere Vorhersage von Ausbrüchen
Über 500 Millionen Menschen leben in der Nähe von Vulkanen, die ohne oder mit wenig Anzeichen ausbrechen. Eruptionen richten oft großflächige Schäden an, stören den Luftverkehr oder wirken sich gar global auf das Klima aus. Viele dieser Vulkane werden kontinuierlich überwacht, um Änderungen in der seismischen Aktivität oder Verformungen im Untergrund festzustellen. Bislang war es jedoch problematisch, die Beobachtungen an der Oberfläche im Hinblick auf die Vorgänge im Untergrund zu interpretieren. Die sogenannte forensische Methode, die das englisch-deutsche Team anwandte, kann auf andere Vulkane übertragen werden. So lassen sich seismische Aktivitäten vor einer Eruption besser mit Prozessen im Inneren des Vulkans in Relation bringen - und künftige Ausbrüche genauer vorhersagen. (red, derstandard.at, 31.5.2012)