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Skepsis gegenüber dem Westen: Wladimir Putin beim Gipfel mit Weißrusslands Alexander Lukaschenko und dem kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew (von hinten) am 15. Mai in Moskau. Foto: EPA

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Nach außen starkes Auftreten gegenüber dem Westen, im Inneren Festigung des Machtapparats.

Moskau/Wien - Es liegt auf dem Weg, aber es ist trotzdem auch ein politisches Signal: Vor seinem heutigen Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin und der Weiterreise nach Paris zum neuen französischen Staatschef François Hollande wollte Russlands neuer alter Präsident Wladimir Putin am Donnerstag in Minsk mit dem diktatorischen weißrussischen Regenten Alexander Lukaschenko zusammentreffen.

Moskau hat Weißrussland (Belarus), das in einer schweren ökonomischen Krise steckt, mit neuen Krediten und einem günstigen Gaspreis vor dem wirtschaftlichen Kollaps bewahrt. Im Gegenzug übernahmen die Russen die Kon trolle über Schlüsselbereiche der weißrussischen Wirtschaft, etwa die in den Westen führenden Gaspipelines.

Vor der jüngsten Verschärfung der EU-Sanktionen gegen das Regime in Minsk hatte Russland die Europäer vor diesem Schritt gewarnt. Wenn Putin jetzt den Besuch bei Lukaschenko noch vor jenem bei Merkel und bei Hollande ansetzte, dann ist dies eine deutliche Botschaft: Moskau lässt sich in seiner Außenpolitik von niemandem, weder von den Europäern noch von den USA oder einer anderen Macht, beeinflussen.

Das demonstriert der Kreml erneut auch in der Syrien-Frage. "Wir handeln ohne Emotionen und beugen uns auch nicht irgendeinem Druck", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag in Anspielung auf die immer drängenderen westlichen Appelle an Russland, seinen Kurs zu ändern und die Unterstützung für den syrischen Machthaber Bashar al-Assad aufzugeben.

Um seine zunehmende Skepsis gegenüber dem Westen zu de monstrieren, war Putin bereits demonstrativ sowohl dem G-8-Treffen im amerikanischen Camp David als auch dem Nato-Gipfel in Chicago ferngeblieben. Europa sei für Putin vor allem als Abnehmer russischen Gases interessant, und dies besonders angesichts sinkender Preise und wachsender Konkurrenz durch andere Anbieter, sagt der Politologe Andrej Ryabow vom Moskauer Carnegie Center zum Standard. "Das ist jetzt für Putin das Schlüsselproblem in seinen Beziehungen zur EU. Demgegenüber treten andere Fragen in den Hintergrund."

Eine Ausnahme: die Ukraine und ihre mögliche europäische Integration. Russland versuche nicht nur, seine Position in der Ukraine zu stärken - mit ungewissem Erfolg -, sondern das Land auch in seine Vision einer "Eurasi schen Union" einzubeziehen. Diese soll aus der derzeitigen Zollunion zwischen Russland, Weißrussland und Kasachstan hervorgehen.

Einen signifikanten Wandel in der russischen Außenpolitik erwartet der Moskauer Experte von der Ära Putin III nicht. Es gehe dar um, "die Risiken zu diversifizieren". Allenfalls werde sich im Stil da oder dort etwas ändern.

Gleiches gilt für die Innenpolitik. Der neuen Regierung einschließlich ihres Chefs, des Expräsidenten Dmitri Medwedew, fehle es an politischem Einfluss, sagt Ryabow. "Wenn ich mir den Hintergrund der neuen Minister ansehe, weiß ich nicht, welcher von ihnen irgendeine Idee von Reformen hat. Das ist kein politisches Team, das ist eine Versammlung hochrangiger Bürokraten." Demgegenüber seien nun mehrere ehemalige Minister als Berater Putins in den Kreml gewechselt. "Das bedeutet, dass der Präsident eine sehr starke Kontrolle über diese Regierung hat. Und er wird institutionelle Konflikte zwischen diesen beiden Gremien (dem Ministerkabinett und der Kreml-Administration, Red.) dazu benutzen, um Druck auf die Regierung auszuüben." Und was mögliche Reformen unter Putin III betrifft: "Wenn man Reformen angehen will, muss man zuerst eine politische Koalition dafür schaffen. Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass der Präsident eine solche Koalition aufbauen will." (Josef Kirchengast /DER STANDARD, 1.6.2012)