Eine Freiheitsrede in den Niederlanden, Shakehands mit dem schwedischen Königspaar in Stockholm: Seine ersten Auslandsauftritte hat der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck tadellos absolviert. Es war auch nichts anderes erwartet worden.

Der erste wirkliche Kraftakt jedoch stand diese Woche im Terminkalender: Staatsbesuch in Israel. Ein solcher ist für jeden deutschen Politiker nach wie vor eine ganz besondere Herausforderung. Den emotionalen Teil hat Gauck mit seinen mahnenden Worten in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, wie ebenfalls nicht anders zu erwarten gewesen war, hervorragend gemeistert.

Einige Verblüffung in Berlin löste jedoch aus, dass Gauck sich von Kanzlerin Angela Merkel absetzte. Diese nannte Israels Sicherheit und sein Existenzrecht 2008 bei ihrem Auftritt in der Knesset einen "Teil der deutschen Staatsräson". Was das im Ernstfall, also bei einem Angriff des Irans auf Israel, genau heißen könnte, hat sie nie klargestellt. Würden die Deutschen Waffen liefern? Gar Soldaten schicken? Man weiß es nicht.

Gauck hingegen betont, das Wohl Israels sei "bestimmend" für die deutsche Politik. Das klingt eher nach: Wir stürzen uns in keine Abenteuer. Es ist eine selbstbewusste und gezielte Klarstellung, für die viele Deutsche dankbar sein werden. Kanzlerin Merkel dürfte weniger erfreut sein. Sie ist auf äußerst schwierigem Terrain die Düpierte. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 1.6.2012)