Calanda hatte in Graz Probleme, schaltete am Ende aber Graz aus und gastiert nun bei den Raiders.

Foto: ©Stefan Wilfinger/afl-headset.at

Die Vikings stolperten gegen Schwäbisch Hall, aber sie fielen nicht und treffen im Halbfinale der EFL auf Berlin.

Foto: ©Stefan Wilfinger/afl-headset.at

Endlich knappe Spiele. Unter dem Motto trafen sich in Graz, Berlin und Wien zwei Teams aus Österreich, zwei aus Deutschland, der Meister der Schweiz und Großbritanniens.

In Innsbruck bespielten die Raiders das Stadion Wattens (immerhin kamen 2.000 Zuschauer zur Beerdigung der Raubkatzen) mit einem fast schon zu aufwendigen Gameday, denn zu wenig gab das Spiel selbst her. Die Vermutung, dass Prag erneut keinerlei Rolle in Tirol spielen kann, bestätigte sich dann auch. Die Raiders schlossen ihre ersten neun Drives mit acht Touchdowns ab, ließen dabei sogar die Jugend ran. Was Prag in diesem Semifinale verloren hatte, das weiß so recht niemand. 56:14 lautete der für die Tschechen dann doch sehr schmeichelnden Endstand. Die Raiders sind europäisch, wo sie mehr Imports als in der Bundesliga einsetzen können, ein noch viel besseres Team, als sie das national schon sind. Das müssen sie auch sein, sieht man sich den kommenden Gegner an.

O! say can you see

In Graz bekamen es die Giants mit dem Schweizer Champion Calanda Broncos zu tun. Die Schweizer Landeshymne wurde in Eggenberg aber nur für eine kleine Minderheit gespielt, denn nur wenige Schweizer standen in der langen Churer Reihe. Einige Giants Spieler erlaubten sich daher auch den etwas deftigen Spaß, zur Melodie des „Schweizerpsalm" den Text des „Star Sprangled Banners" zu intonieren. Wobei es nicht nur US-Amerikaner sind, die das Team von Geoff Buffum zum Erfolg führte. Zwar wirken die Broncos noch immer wie eine nicht ganz homogene Einheit, ihre Einzelspieler gehören aber allesamt der europäischen Spitzenklasse an. Egal, in welche Unit man blickt, es stehen fast ausschließlich richtig gute Footballspieler am Feld. Und das macht beim Zusehen natürlich auch Freude und das muss man den Herren gleichzeitig auch unbenommen lassen: Sie haben nicht nur das Bargeld, sondern auch eine Ahnung vom Scouting.

Ahnung vom Spiel hat allerdings auch der neue Giants Headcoach Nick Johansen. Was anfangs wie eine Kamikaze-Mission aussah, entpuppte sich dann auf Dauer als probater Gameplan gegen einen individuell überlegenen Gegner. Man machte die Mitte zu und reduzierte den allseits gelobten und zumindest in der Schweiz gefürchteten US-Runningback De Wolve auf für seine Verhältnisse lächerliche 65 Yards und hielt ihn aus der Endzone. Gleichzeitig öffnete man die Seiten, die Geoff Buffum dann von seinem US-Quarterback Marko Glavic über den Österreicher Christian Steffani, den deutschen Nationalspieler Pascal Maier (TD) und den US-Amerikaner Steve Valentino virtuos bespielte. Bubble-Screens den ganzen Tag. Die Methode führte die Gäste fast immer in oder in die Nähe der Redzone, dort wurden dann aber die Türen mehrmals abgedichtet. Ein geblockter Fieldgoal Versuch, eine Interception, ein Lost Fumble. Die Giants gingen sogar in Führung und hielten das Spiel so bis zum Ende offen. Was fehlte, war ein finaler Stop durch die Defense. Was erschwerend dazu kam: Zwei Fumbles von Quarterback Chris Gunn und ein Holding in der Endzone durch Harald Egger für einen Safety. Ein Fieldgoal brachte der Ex-Dresdner Holger Hempel zwischen die Uprights. Das war es dann schon. Optisch und statistisch ließe sich eine totale Überlegenheit der Broncos konstruieren, sie tun das auch (hätten höher gewinnen müssen), in Wahrheit waren die Giants aber das an dem Tag smartere Team, welches sich mit ihren bescheidenen Mitteln auf eine durchaus vernünftige Art und Weise zur Wehr setzte. Die Chose hätte man durchaus auch gewinnen können und das ist doch etwas überraschend. Erfreulich die weiteren Scorer. Auf Seiten der Broncos erzielte den ersten Touchdown der Schweizer Lukas Luescher, bei den Giants scorte der 18-jährige Juniorenspieler Philipp Sommer und der vom (seligen) Drittligisten-Spaßprogramm Gladiators gekommene Stefan Probst (21 Jahre).

Die Broncos treffen im Halbfinale am 16. Juni nun auf die Raiders. Das Heimrecht hat die EFAF am heutigen Donnerstag den Tirolern zugesprochen. Die werden dieses Spiel wohl gesehen und ihre Lehren daraus gezogen haben. Die Chancen kann man als 50:50 einschätzen, das Wiedersehen mit Ex-Coach Geoff Buffum und einer ganzen Reihe von ehemaligen Spielern (Marko Glavic, Robert Zernicke, Pascal Maier, Stefan Becker, Jakob Dieplinger [nun Coach bei Calanda]) wird sicher emotional.

Nachtrag zu den „vermissten" Transferkarten von sieben Calanda-Spielern: Die EFAF hat eine Strafe von 400 Euro gegen die Schweizer dafür ausgesprochen. In Worten: Vierhundert.

Starker deutscher Meister

In Wien waren die in der Bundesliga ungeschlagenen Wikinger gegen den deutschen Meister Schwäbisch Hall zumindest leichter Favorit. Die Rolle konnten die Wiener vor 6.020 Zuschauern in der Generali Arena zunächst jedoch ganz und gar nicht einnehmen. Die Vikings setzen auf Man-Coverage, was sich rasch als Irrtum erwies („haben das am Video anders gesehen" - Headcoach Chris Calaycay). Die Deutschen gewannen ihre 1:1 Matchups und diktieren die Partie vom Kickoff weg. Nach etlichen Umstellungen in der Defensive, die anderthalb Viertel durchaus auch orientierungslos gegen die langen Receiver der Unicorns wirkte, bekamen sie vor der Halbzeit das Spiel langsam in den Griff. Ein Defensive Shutout in Hälfte zwei folgte und der ehemalige Unicorns Runningback Dusty Thornhill, der heuer für die Vikings spielt, erzielte zwei Touchdowns zu dem doch noch deutlichen 25:13-Erfolg. Glück gehabt, aber auch tüchtig gewesen, dafür wartet gleich der nächste deutsche Gegner und damit viele verkaufte Tickets auf die Mannschaft von Chris Calaycay.

Die Berlin Adler mussten gegen London Blitz allerdings ebenfalls lange zittern, gewannen nach einer Serie von Turnovers das Spiel gegen die Briten, die ihrerseits unzählige Chancen zum Sieg liegen ließen, glücklich mit 21:15. Auch hier ging das Heimrecht nach Österreich. Die Adler werden am 17. Juni auf der Hohen Warte antreten. Das Motto der Wiener dazu lautet: "Wir sind nicht nachtragend, aber die Eurobowl 2010 ist noch nicht vergessen!" Damals verloren sie das 24. Endspiel nach einem Fieldgoal der Deutschen bei auslaufender Uhr. Seither hat sich viel getan. Die Berliner mussten ihren Headcoach Shuan Fatah, Offensive Coordinator Lee Rowland, Quarterback Kyle Callahan und Allzweckwaffe Talib Wise an Innsbruck abgeben, die zusammen ein Jahr später ihr Ex-Team im Halbfinale der EFL eliminierten und am Ende das Double Euro-/Austrianbowl gewannen. Die Vikings waren 2010 die Nummer 4 der AFL nach dem Grunddurchgang, heuer haben sie neun Spiele absolviert und neun Siege in der Tasche. Auf die Gefahr hinauf, erneut ein deutsches Team zu unterschätzen, sage ich den Adlern eine verheerende Niederlage in Döbling vorher, selbst, wenn sie weiterhin in der GFL ungeschlagen (derzeit 3-0) bleiben. Mannschaften wie Lübeck, Hamburg oder Braunschweig würden in Österreich derzeit nur für die Rangers eine echte Gefahr darstellen. Man kann das Ding weiter aufstocken, aus Quantität gewinnt man jedoch nicht so schnell Qualität.

European Football League Halbfinalspiele:
Swarco Raiders Tirol vs. Calanda Broncos
16. Juni 2012 20:00, Tivoli Innsbruck
Raiffeisen Vikings vs. Berlin Adler
17. Juni 2012 15:00 Uhr, Hohe Warte Wien

Viertelfinalspiele:
JCL Giants Graz vs. Calanda Broncos (CH) 14:19
Swarco Raiders Tirol vs. Prague Panthers (CZE) 56:14
Raiffeisen Vikings vs. Schwäbisch Hall Unicorns (GER) 25:13
Berlin Adler (GER) vs. London Blitz (GB) 21:15

Die zweite der letzten drei Chancen

Bevor es aber soweit ist, geht es auch in der heimischen Bundesliga mit der neunten Runde weiter. In der UPC Arena trifft man sich zur größten heimischen Rivalry - Giants vs. Vikings. Das ganze live auf ORF SPORT + am Samstag ab 17:15 Uhr. Es geht für die Wiener um die Perfect Season, für die Grazer um die Bestätigung ihrer bisher guten Leistungen gegen die beiden Topfavoriten, die allerdings drei Mal mit Niederlagen endeten. Für das Playoff-Bild selbst mag das Spiel nur mehr wenig Auswirkungen haben, denn die Wiener können das Heimrecht nicht mehr verlieren, die Grazer es nicht mehr gewinnen.

Um etwas mehr als um das Aussehen geht es in Stadlau, denn dort befinden sich die Danube Dragons noch mitten im Kampf um einen Platz unter den erstens Vier und damit um einen Halbfinal-Spot. Der Gegner kommt aus Tirol und kann, ähnlich wie die Vikings in Graz, wenig gewinnen oder verlieren, was das Gesamtbild betrifft. Was nicht bedeutet, dass sie sich freiwillig ergeben werden, aber so ganz hell kann das Feuer nicht brennen, denn den richtig guten Tiroler Diesel wird man erst wieder gegen Calanda und dann in den AFL Playoffs benötigen. Die Ausgangslage für die Drachen ist klar. Sie müssen damit rechnen, dass Prag zwei Mal die Rangers schlägt und damit 3-7 gehen wird. Da wären sie selbst mit zwei Niederlagen auch, aber sie haben das direkte Duell verloren und würden auf den fünften Rang zurück fallen. Daher muss ein Sieg gegen die Raiders am Samstag, oder in der letzten Runde in Graz bei den Giants her. Die Dragons meinen, dass die bessere Chance die in Graz sein würde, ich meine, dass sie mit der Einschätzung falsch liegen. Giants Headcoach Nick Johansen hat 2010, damals noch als Raiders Offense Coordinator, die Austrianbowl gegen die Dragons vergeigt und wurde kurz danach entlassen. Seine Lust, ein weiteres Spiel in seiner Karriere gegen die Donaustädter zu verlieren, ist einfach nicht vorhanden. Auch wenn es für die Seinen nur mehr um die Ehre geht - die langt in dem Fall. Die Dragons werden am 23. Juni in Eggenberg einer bis in die Zehenspitzen motivierten Giants-Mannschaft gegenüber stehen, die den Raiders qualitativ nur wenig nachsteht. Die bessere Chance ist daher dieses Heimspiel, auch wenn der Auftritt zuletzt in der Generali Arena gegen die Vikings (das war die erste Chance) sehr dürftig war. Das Spiel wird live von raidersTV übertragen. Es kommentiert Thomas Filzer, dem ich heuer zum bereits zweiten Mal als Co zur Seite reden darf.

Das Beste kommt immer am Schluss

Die Rangers gastieren bei den Panthers in Prag und die Mödlinger haben ein weiteres Mal ihre Ziele justiert. Waren es im März noch zwei Siege und Platz 5 (ginge sich ja noch aus!), im April eine Steigerung von Spiel zu Spiel (geht sich nicht mehr aus), will man jetzt die beste Leistung zum Schluss abliefern. Aus Mödlinger Sicht zu befürchten ist, dass das auch die Panthers wollen. Das könnte sogar grauslich werden, denn die Tschechen haben es nicht so mit Gas vom Fuß, wenn eine Schülergruppe vor ihnen über den Zebrastreifen geht. Kommt gut (=gesund) wieder heim! Ein Spiel noch danach, dann kommt vielleicht noch eine Nachprüfung gegen den Meister der zweiten Liga. Eine Relegation ist unwahrscheinlich, da auch niemand unbedingt in die AFL rauf will, aber möglich ist sie. Spätestens danach kann man dann aber darüber nachdenken, was alles falsch lief. Oder wenn man es verkürzen will: was richtig lief. (Walter Reiterer, 31.5.2012)

AFL Woche 9
Gesamtstatistik

JCL Giants Graz vs. Raiffeisen Vikings
Samstag 2. Juni 2012, 17:30 Uhr, UPC Arena Arena Wien

Danube Dragons vs. Swarco Raiders
Samstag 2. Juni 2012, 17:00 Uhr, Stadion FC Stadlau

Prague Panthers vs. Kornmesser Rangers
Sonntag 3. Juni 2012, 14:00 Uhr, Slavia Stadion Prag

Tabelle:
1. Raiffeisen Vikings Vienna 8-0
2. Swarco Raiders Tirol 7-1
3. JCL Giants Graz 5-3
4. Danube Dragons 3-5
5. Prague Panthers 1-7
6. Kornmesser Rangers 0-8