Frankfurt - Trübe Konjunkturaussichten beiderseits des Atlantiks haben am Freitag die europäischen Aktien auf Talfahrt geschickt. Der Dax verbuchte zei tweise sei nen größten Tagesverlust seit gut einem halben Jahr. Der EuroStoxx50 notierte vorübergehend so niedrig wie zuletzt im September 2011. Spekulationen um eine weitere Geldspritze der US-Notenbank Fed zur Ankurbelung der Konjunktur bremsten den Kursrutsch nur kurzzeitig.

Die enttäuschenden Daten träfen die Märkte zu einem kritischen Zeitpunkt, da viele Anleger wegen der Schuldenkrise verunsichert seien, sagte Rick Meckler, Chef von LibertyView Capital Management. Alles deute auf eine weltweite Konjunkturabkühlung hin. "Die Zeit ist offenbar reif für neue staatliche Maßnahmen in den USA, Europa und China."

Außerhalb der US-Landwirtschaft wurden im Mai 69.000 neue Stellen geschaffen. Analysten hatten im Schnitt mit einem Plus von 150.000 gerechnet. Am Donnerstag waren bereits die Daten der privaten Arbeitsagentur ADP hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

Aktien und Euro im Minus

Als Reaktion auf die US-Arbeitsmarktdaten fiel der Dax um bis zu 4,1 Prozent auf ein Fünf-Monats-Tief von 6008,47 Punkten. Der EuroStoxx50 notierte zeitweise 3,2 Prozent im Minus bei 2050,16 Zählern. Die beiden Leitindizes verabschiedeten sich mit einem Minus von 3,4 Prozent bei 6050,29 Stellen beziehungsweise 2,2 Prozent bei 2071,91 Punkten ins Wochenende. Im Vergleich zum Schlusskurs der Vorwoche büßten sie jeweils etwa 4,5 Prozent ein. An der Wall Street lag der US-Standardwerteindex Dow Jones am Freitag bei Börsenschluss in Deutschland 1,8 Prozent im Minus.

Mit einer baldigen Erholung der Aktienkurse ist nach Einschätzung von Lars Kremkow, Marktstratege des Brokerhauses Activtrades, nicht zu rechnen. "Der Dax hat seine beste Zeit des Jahres hinter sich. 6000 Punkte zum Jahresende könnten aus heutiger Sicht als Erfolg verbucht werden."

Der Euro erholte sich wegen der Gerüchte um eine weitere Lockerung der US-Geldpolitik etwas. Am Abend kostete er 1,2386 Dollar, nachdem er unmittelbar nach den US-Arbeitsmarktdaten auf ein neues Zwei-Jahres-Tief von 1,2286 Dollar gefallen war.

Auf ihrer Suche nach sicheren Anlagen griffen Investoren unter anderem zu Staatsanleihen aus den USA und Deutschland. Der T-Bond- und der Bund-Future kletterten jeweils auf neue Rekordhochs. Der Goldpreis stieg um bis zu 3,7 Prozent auf 1617,11 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Dies ist das größte Kursplus seit etwa dreieinhalb Jahren.

Motor stottert

Auch aus Europa kamen schlechte Konjunkturnachrichten. Der Einkaufsmanager-Index fiel den Angaben des Datenanbieters Markit zufolge im Mai auf 45,1 Punkte und damit den tiefsten Stand seit drei Jahren. Besonders schlecht ist die Lage in Spanien, das Griechenland als Schlusslicht abgelöst hat. Auch in Deutschland, Frankreich und Italien liefen die Geschäfte deutlich schlechter.

Die europäischen Arbeitsmarktdaten drückten ebenfalls auf die Stimmung. Die Arbeitslosenquote in der Euro-Zone lag im März und April bei elf Prozent. Dies ist der höchste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen 1995. Er rechne in den kommenden Monaten mit einem Anstieg auf mehr als 11,5 Prozent, sagte ING-Volkswirt Martin van Vliet. Um der Wirtschaft neuen Schwung zu verleihen, müssten der Sparkurs abgeschwächt und die Investitionen gesteigert werden. "Zur Bekämpfung der eskalierenden Schuldenkrise müssen drastische Schritte unternommen werden", fügte van Vliet hinzu.

MAN bleibt tapfer

Als einziger Dax-Wert hielt sich MAN im Plus. Die Aktien des Nutzfahrzeug-Herstellers legten 2,2 Prozent auf 79,07 Euro zu. Händlern zufolge schürten Berichte über einen Umbau des VW-Vorstandes Gerüchte über eine Aufstockung der Anteile von VW an MAN. DZ-Bank-Analyst Michael Punzet schrieb in einem Kommentar: "Unserer Meinung nach könnte die Berufung von Leif Östling in den Konzernvorstand sowie die mögliche Schaltzentrale der zukünftigen Truck-Allianz bei MAN in München ein Hinweis darauf sein, dass VW kurzfristig den Abschluss eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag bei MAN anstrebt." Östling ist Chef des schwedischen Lkw-Bauers Scania, der ebenfalls zum Volkswagen -Konzern gehört. VW-Titel schlossen 4,1 Prozent tiefer bei 123,75 Euro. (APA, 1.6.2012)