Beschwerden
Bereits in einem Schreiben vom 22. Mai hatte das Innenministerium bei der Geschäftsführung von master-talk schwere Versäumnisse bei der Projektabwicklung kritisiert und mit 2. Juni eine Frist gesetzt, um Vorschläge zu unterbreiten, wie die teils mehrere Monate betragenden Terminverzögerungen aufgeholt werden könnten. Trotz mehrfacher Urgenzen seien Besserungsvorschläge unterblieben. Innenminister Ernst Strasser (V) soll deshalb jetzt endgültig "die Reißleine ziehen".
Das Innenministerium hat in dem zitierten Schreiben an die master-talk Geschäftsführung darauf hingewiesen, dass nach nicht einmal einjähriger Projektdauer (der Zuschlag wurde am 5. Juli 2002 erteilt) eine derartige Verzögerung nicht tolerierbar sei. master-talk habe noch immer keinen vertragsgemäßen Projektplan ausgearbeitet, und es gebe keine bzw. ungenügende Abstimmung mit dem Bundesministerium für Inneres. Ebenso wird auf unzureichendes Projektmanagement hingewiesen. Es wird auch festgestellt, "dass Ihre Mitarbeiter hochgradig unprofessionell bei der Prüfung bzw. Akquisition (von Funkstandorten) vorgehen". Eine vertragliche Erfüllungsgarantie sei trotz (achtmaliger) Urgenz nicht vorgelegt worden.
Überforderung
Aus Insiderkreisen heißt es, dass Siemens mit dem Auftrag "technologisch überfordert" sei. Siemens hält an master-talk ebenso wie die Wiener Stadtwerke einen Kommanditanteil von rund 32,4 Prozent, die Verbund Telekom 10 Prozent und 25,1 Prozent eine zum Raiffeisen-Bereich gehörende Capreolus Beteiligungs GmbH mit Sitz in Wien.
Aller Voraussicht nach muss das Projekt neu ausgeschrieben werden, was eine Verzögerung um mehrere Monate bedeutet. Der Versuch, dies zu vermeiden, indem eine freihändige Vergabe an den im Vorjahr unterlegenen Mitbieter Motorola zusammen mit Telekom Austria und der Investkredit überlegt wurde, lässt sich offenbar nicht realisieren. Dazu hätte das Projekt "haargenau" in der vorliegenden Form übertragen werden müssen. Dringender Bedarf an dem digitalen Behördenfunknetz soll von den Bundesländern Niederösterreich und Tirol angemeldet worden sein.
Service
Das "Adonis"-Netz (Auftragswert 280 Millionen Euro) sollte in der ersten Ausbaustufe bereits seit März 2003 in Betrieb sein - aufbauend auf einem existierenden Pilotversuch im Großraum Wien, der jedoch keinerlei Praxistauglichkeit hatte. Der Vollausbau war bis 2005 vorgesehen, sodass Einsatzorganisationen, wie Polizei, Gendarmerie, Feuerwehr und Militär, im Einsatzfall effizienter miteinander kommunizieren können. Bei Großkatastrophen wie dem Jahrhundert-Hochwasser, dem Kaprun-Brand oder der Galtür-Lawine hätten sich die bestehenden analogen Handy- und Funksysteme als unzureichend erwiesen.
Kostenfrage
Laut noch bestehendem Vertrag trägt master-talk die Investitionen und sollte sich über den Verkauf der Endgeräte (Stückpreis 1.000 Euro) refinanzieren. Langfristig sollten rund 80.000 Einsatzleute das System nutzen, und master-talk wollte zusätzlich 40.000 Private dafür gewinnen. Von diesen Plänen ist heute keine Rede mehr. Trotz des reduzierten Endgerätepreises habe man unter den Blaulichtorganisationen keine Vertragspartner gefunden, und es sei zu rechnen, dass master-talk spätestens Anfang September die Finanzierung ausgehen wird.
Profil