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Foto: dpa/Bachmann
Wer am Freitag im Elektrostahlwerk Henningsdorf bei Berlin arbeiten wollte, musste sich durch Kollegen, die mit Trillerpfeifen die "Streikbrecher" begrüßten, den Weg bahnen. Insgesamt waren am Freitag 11.000 Mitglieder der IG Metall in 16 Betrieben in Berlin, Brandenburg und Sachsen zum Streik aufgerufen, mit der die 35-Stunden-Woche in Ostdeutschland durchgesetzt werden soll. Im Gegensatz zu Westdeutschland gilt hier die 38-Stunden-Woche.

In Dresden und Brandenburg gelangten arbeitswillige Beschäftigte nur unter Polizeischutz in zwei Betriebe. Gerichte untersagten der IG Metall die aus ihrer Sicht "illegale Blockade" der beiden Werke und verhängten gegen Gewerkschaftschef Klaus Zwickel ein Ordnungsgeld in Höhe von 25.000 Euro. Die Gewerkschaft legte Einspruch ein. In Dresden richtete der Automobilzulieferer Federal Mogul eine Luftbrücke mit zwei Hubschraubern ein, um Beschäftigte ein- und Produkte aufliegen zu können. Rund hundert arbeitswillige Mitarbeiter verließen seit Dienstag ihre Arbeitsstätte nicht.

Auswirkungen im Westen

Die nach zwei Wochen ausgeweiteten Streiks zeigen auch Auswirkungen im Westen der Bundesrepublik und in Österreich. Nach BMW, das, wie berichtet, kommende Woche die Motorenproduktion in Steyr erheblich einschränkt und die Produktion an bayerischen Standorten teilweise stilllegt, rechnet auch VW mit Einschränkungen. VW sieht bei einem andauernden Streik die Produktion in seinem Werk in Wolfsburg gefährdet. Dann würden Teile aus dem ostdeutschen Werk Mosel für die Produktion von Golf und Lupo ab kommenden Freitag fehlen, sagte ein VW-Sprecher.

BMW kündigte bereits an, sein Engagement in den neuen Bundesländern zu überprüfen. BMW baut derzeit in Leipzig ein neues Werk und hat bereits 1000 Mitarbeiter eingestellt. In der Endphase sollen dort 5000 Menschen arbeiten. Auch Opel-Chef Carl Peter Forster wollte nicht ausschließen, sich bei künftigen Investitionen gegen Ostdeutschland zu entscheiden: "Das wird Einfluss auf künftige Investitionsentscheidungen haben." Opel hat sowohl im thüringischen Eisenach als auch in Polen große Werke aufgebaut. Nach internen Berechnungen würde die geforderte 35-Stunden-Woche die Arbeitskosten um rund acht Prozent steigern.

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Gillo warf der Gewerkschaft vor, dem Wirtschaftsstandort Ostdeutschland schweren Schaden zugefügt zu haben: "An der Verantwortung dafür wird die IG Metall in den nächsten Jahren schwer zu tragen haben." Der stellvertretende IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters wies die Vorwürfe zurück. "Wir haben in Ostdeutschland eine durchaus akzeptable wirtschaftliche Entwicklung", sagte Peters. In manchen "Leuchttürmen" im Osten sei die Produktivität "ungleich besser als in Westunternehmen". (Alexandra Föderl-Schmid aus Berlin, Der Standard, Printausgabe, 21.06.2003)