Eine Erklärung Prags, die nur durch äußeren Druck zustande komme, wäre sinnlos, sagte Václav Havel in einem seiner letzten Interviews als tschechischer Präsident. Er meinte damit offensichtlich, wenn sich seine Landsleute nicht aus freien Stücken ihrer Vergangenheit stellten und entsprechende Schlüsse zögen, sei offiziell ausgedrücktes Bedauern über die Vertreibung der Sudetendeutschen ohne inneren Wert.

Havels Nachfolger Václav Klaus, bis dahin als Hardliner in der Frage der Benes-Dekrete bekannt, bezeichnete im März, kurz nach seinem Amtsantritt, die Ereignisse bei und nach Kriegsende 1945 als "aus heutiger Sicht unannehmbar". Jetzt hat es ihm die Mitte-links-Regierung, in der einige der vehementesten innenpolitischen Gegner des Präsidenten sitzen, mit einer nahezu identen Formulierung gleichgetan.

Nun lässt sich darüber streiten, ob der bevorstehende EU-Beitritt Tschechiens nicht sehr wohl einen Druck darstellt. Wenn, dann moralischen Druck. Der konnte seine Wirkung aber offenkundig erst entfalten, nachdem politischer Druck von der Prager Regierung genommen war: außenpolitisch mit dem Wegfall österreichischer Vetodrohungen gegen den EU-Beitritt, innenpolitisch mit dem positiven Ausgang des Beitrittsreferendums.

Eben von der Erkenntnis, dass ohne Druck mehr zu erreichen ist, sind auch die durchwegs positiven Reaktionen aus Wien, Berlin und Brüssel auf die Prager Erklärung getragen. Ob diese nun wirklich einen "Schlusspunkt" darstellt, wie Außenminister Cyril Svoboda betont, sei dahingestellt. Immerhin könnte man aus der Formulierung "aus heutiger Sicht unannehmbar" auch Handlungsbedarf für eine zumindest symbolische Wiedergutmachung ableiten. Und eine gemeinsame tschechisch-österreichische Erklärung ist vielleicht nicht notwendig, wie Svoboda meint. Aber gerade sie entspräche jenem europäischen Geist, auf den sich Prag bei seinem jetzigen Schritt beruft. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.6.2003)