Mit den Mitteln der drastischen Überhöhung werden Gewalt in der Gesellschaft, Entfremdung, Bigotterie, Perversionen und immer wieder auch eine unendliche persönliche Einsamkeit dem Hörer scheinbar derart bejahend um die Ohren gehauen, dass es zwangsläufig zu Missverständnissen kommen muss.
Dass angekündigte Skandale jedoch nicht stattfinden, hat dann mit einem zu tun: In Europa werden Kuschelmonster gewöhnlich geherzt und geliebt und nicht zum Teufel gewünscht. Betrachtet man den beim Kick Off-Festival in Wiesen als Mickey Mouse aus der Hölle agierenden Provokateur und gerade auch sein jetzt vor 8000 begeisterten Fans präsentiertes neues Album The Golden Age Of Grotesque näher (DER STANDARD berichtete), wird eines klar.
Hinter den vielen schauderhaften Verkleidungen des Mannes verbirgt sich ein Missionar für das Gute. Allerdings auch ein offensichtlich vom Leben derart enttäuschter Idealist, dass es hier verdammt sarkastisch zugeht.
Deshalb predigte die Mickey Mouse dann zwar vor dem symbolischen Bühnenhintergrund einer Reichsparteitagsveranstaltung von aberwitzigen Nazis aus dem Comic-Lehrbuch. Wo aber der doppelte Boden derart offensichtlich eingezogen ist, verkommt eine Live-Veranstaltung beinahe selbstredend zur Kinderjause mit frenetisch jubelnden Fans. Die deuten das Ganze auch mit wilden Kostümierungen unten vor der Bühne als neue Rocky Horror Picture Show.
Neben den großartig Heavy-Rockern Fu Manchu im Vorprogramm und den finnischen Gothic-Poppern und Teenie-Stars H.I.M. sorgte dann vor allem eine Band für tatsächliches Entsetzen: Turbonegro aus Oslo. Alte, dicke, heterosexuelle Biertrinker, die sich als Schwule ausgeben, weiteten mit grandios-dumpfem Glamrock zwischen Punk und David Bowie die Mädchenaugen: "Iiih, ist das grauslich!" Der Höhepunkt des Abends!