Würden alle Menschen Didgeridoo lernen wäre laut Mike Edwars die Krise überwunden.

Foto: EPA/Carlo Ferraro

Wien - Mike Edwards setzt sich eine Schutzbrille auf, stülpt Plastikhandschuhe über und macht sich in der Wiener Hofburg ans Werk. Der Umweltpädagoge und Entertainer nimmt ein Sparschwein und erklärt: "Dies ist die Welt. Ich zeige Ihnen, was die Wissenschaft damit macht." Er zerklopft es mit einem Hammer in kleine Scherben.

Wissenschaft darf nicht den Blick aufs Ganze verdecken

"Wir zerlegen die Welt in kleine Bestandteile, damit wir sie verstehen können - und konsumieren", resümiert Mike Edwards. Wobei er kein Missverständnis aufkommen lassen will: "Die Arbeit der Wissenschaft ist unglaublich wichtig. Sie darf nur nicht den Blick auf das Ganze verdecken - und wir dürfen uns nicht von der Natur entfremden lassen."

Ein solche Details ergründender Wissenschafter ist ein weiterer Sprecher bei den Erdgesprächen 2012 in der Wiener Hofburg: Stefan Rahmsdorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Und das Bild, das er vor rund 700 Besuchern entwirft und mit Zahlen belegt, ist ein düsteres: Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre sei um ein Drittel höher als jemals zuvor in den letzten 100 Millionen Jahren. Die Temperaturen seien im langjährigen Schnitt um 0,8 Grad angestiegen, 2003 war der heißeste Sommer seit dem Jahr 1500 - und der wurde bereits vom Sommer 2010 übertroffen.

Mehr noch: Die Meeresspiegel sind seit 1880 um 20 Zentimeter angestiegen. "Das alles läuft schneller ab als vom Weltklimarat prognostiziert", sagt Rahmsdorf. "Ich wünschte, der Klimarat bestünde aus Alarmisten, wie ihm oft vorgeworfen wird." Kurz: Das Klimaziel von maximal plus zwei Grad kann nur mit einer radikalen Reduktion der CO2-Emissionen erreicht werden. "Das Problem ist: Es wird langsam sehr knapp.

Bianca Jagger warnte vor Bau des "Belo Monte"-Damms

Legitimiert dies die Produktion erneuerbarer Energien um jeden Preis? Bianca Jagger hatte bereits zuvor bei den Erdgesprächen eindringlich über die fatalen Folgen des brasilianischen "Belo Monte"-Staudammprojektes auf den Regenwald und die dort lebenden indigenen Gruppen berichtet.

Die anwesende Doyenne der österreichischen Ökologiebewegung, Freda Meissner-Blau, betrat daraufhin spontan die Bühne - auf ihren Vorschlag hin wird spontan eine Resolution gegen den "Belo Monte"-Damm entworfen.

Es ist eben ein Abend, an dem nicht nur referiert, sondern von den Anwesenden auch wahrgenommen, kennengelernt und verstärkt wird. Da trifft der Initiator eines mobilen Schlachthofes auf Vertreter nachhaltiger Investmentsysteme und junge Initiativgruppen auf Vertreter des "Hub Vienna", wo im 7. Bezirk in einem Loft gearbeitet, diskutiert und international mit 30 Hubs vernetzt wird - um die Welt zu verändern.

Mike Edwards hat da übrigens einen recht einfachen Ansatz: "Wenn alle Menschen Didgeridoo lernen, wäre die Krise überwunden." Das Musikinstrument sei einfach; ein hohles Stück Holz. Um es zu spielen, muss man die Energie (den Atem) sehr effizient einsetzen - und kreativ sein. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 2./3.6.2012)