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"Die These im Poetry Slam lautet: Lesen kann man überall", erklärt Mieze Medusa.

Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Wien - An ihren allerersten Auftritt bei einem Poetry-Slam erinnert sich Mieze Medusa, eigentlich Doris Mitterbacher, nicht gerne. Es war vor langer, langer Zeit in Innsbruck, ihr Text ein typischer "ein Mädchen möchte Lyrik machen"-Vortrag. "Es war nicht gut. Ich glaube, es gibt irgendwo ein Video davon, darum muss ich mich einmal kümmern", erzählt die heute 36-jährige Oberösterreicherin. Inzwischen sind mehr als zehn Jahre vergangen. Mieze Medusa ist nicht nur erfolgreiche Hip-Hop-Künstlerin, sondern schreibt auch Romane und gilt als die "Mama" der österreichischen Poetry-Slam-Szene.

"Deine Aufgabe als Slammerin ist es, einen Weg zu finden, das Publikum auf deine Seite zu ziehen", sagt Mieze Medusa. Sie selbst steht immer noch regelmäßig auf der Bühne, sowohl als Slammerin aber auch als Slammasterin, also Moderatorin eines Abends. Im Wiener Lokal rhiz veranstaltet sie "textstrom", den dienstältesten Poetry Slam Österreichs. In acht Jahren hat sie ihn nur drei oder vier Mal verpasst - denn die Bühne macht süchtig. "Die These im Poetry Slam lautet: Lesen kann man überall", erklärt Mieze Medusa. So wird eine Bar zur Bühne für selbst verfasste Texte und das Publikum zur Jury. Regeln gibt es nur wenige, die wichtigsten sind die Zeitbegrenzung auf etwa fünf Minuten und das Verbot von Hilfsmitteln aller Art. Nur der Slammer selbst und Notizzetteln sind auf der Bühne erlaubt. "Das Publikum soll sich zuständig fühlen und nicht wie bei einer herkömmlichen Lesung einfach zwanzig Minuten warten, bis alles vorbei ist."

Notorische Geldnot

Ihren ersten Sieg feierte Mieze Medusa im Wiener Schikaneder. Nach dem Studium frisch in Wien angekommen, plagte sie notorische Geldnot, das erste Gehalt ließ noch bis Monatsende auf sich warten. Just eine Woche davor wurde sie jedoch beim Schwarzfahren erwischt, die Strafe war binnen drei Tagen einzuzahlen. Ohne Geld und mit viel Verzweiflung bestritt sie am Abend den Poetry Slam und gewann genau die Summe, die die Wiener Linien forderte. "Da hab ich mir gedacht: Das hat Zukunft, das mach ich weiter", lacht Mieze Medusa. Heute genießt die Dichterin an ihren Auftritten vor allem den Moment, in dem sich die Gesichter des Publikums entspannen und ganz weich werden. "Dann merkst du, sie verlieren sich in deinem Text. Das ist ein wunderschönes Gefühl."

Zusammen mit ihrem Kollegen Markus Köhle ist Mieze Medusa eine Pionierin der Poetry Slam-Szene in Österreich. "Wir haben unseren Teil dazu beigetragen, dass die Szene gewachsen ist." Aber schon seit einiger Zeit stellt sich bei der Oberösterreicherin ein wohliges Gefühl der Erleichterung ein: "Wenn ich jetzt aufhöre, geht es trotzdem weiter. Das macht mich zufrieden und auch stolz." Umso mehr Zeit hat Mieze Medusa jetzt, sich ihren vielen anderen Projekten zu widmen. Die Band mieze medusa & tenderboy ist ein riesiges Herzensanliegen der 36-Jährigen, auch wenn sie die "mühsamste aller Baustellen" ist. "Die U-Musik in Österreich ist in einem beklagenswerten Zustand, was Auftrittmöglichkeiten, Förderungen und Ähnliches betrifft."

Frauenförderung gefordert

Gleichzeitig feilt sie an der Fortsetzung ihres Romans "Mia Messer", der Geschichte einer Kunstdiebin, die bevorzugt Werke feministischer Künstlerinnen stiehlt. In der Slam-Landschaft sind Frauen noch ein bisschen unterrepräsentiert, auch wenn das Verhältnis in Österreich deutlich besser aussieht als im Ausland. "Bei Mädels ist die Hemmschwelle ein bisschen höher als bei Jungs", sagt Mieze Medusa. Da brauche es oft mehr Unterstützung und sanften Nachdruck. Frauenförderung betreibt die Slammerin auch in ihren Workshops und im Unterricht. Ist man als junges weibliches Talent Mieze Medusa wirklich ein Anliegen, kann es schon vorkommen, dass sie mit der negativen Benotung einer Uni-Lehrveranstaltung droht, sollte man nicht auftreten. "Manchmal braucht es das", schmunzelt die Slammerin.

Wie Mieze zu Medusa kam, ist für Mitterbacher fast ein glücklicher Zufall. Für ihre Tätigkeit als Hip-Hop-MC (Master of Ceremonies) brauchte sie einen Namen. Mieze klang zwar nach einer weiblichen Form von MC, war aber zu rosarot. Medusa, die altgriechische Gorgone mit Schlangenhaaren und titelgebende Figur des Artikels "Das Lachen der Medusa" der Philosophin Helene Cixous, der sich mit weiblichem Schreiben beschäftigt, brachte - "maximal unrosa" - den Ausgleich. Irgendwie gefiel das und der Name blieb. Inzwischen zählt er zu den bekanntesten im deutschsprachigen Raum. Trotzdem bleibt Poetry Slam für Mieze Medusa eine Understatement-Bühne: "Es ist immer eine gute Idee, sich zuerst mal nicht zu groß zu machen, dafür aber dann im Text mit der Sprache zu klotzen." (APA, 4.6.2012)