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Die Demonstration am Sonntag war bisher die größte von AbtreibungsbefürworterInnen in der Türkei.
Die Absicht der türkischen Regierung, das Abtreibungsgesetz zu verschärfen, rief am Sonntag tausende DemonstrantInnen in Istanbul auf den Plan. Ministerpräsident Rezep Tayyip Erdogan und Gesundheitsminister Recep Akdag wollen die Fristenregelung von zehn auf vier Wochen kürzen und Kaiserschnitte eindämmen, um ein "gesundes Bevölkerungswachstum" zu gewähren. Das kommt einem Abtreibungsverbot faktisch gleich. Ausnahmen sollen nur bei gesundheitlichen Notfällen gemacht werden. Im Juli soll das ausgearbeitete Gesetz dem Parlament zur Abstimmung vorliegen.
Die Wortwahl der beiden Politiker in dieser aktuellen Debatte rund um Abtreibung ist dabei nicht gerade zimperlich: Erdogan spricht von "Mord" oder vergleicht einen Schwangerschaftsabbruch mit einem "Massaker an Zivilisten". Akdag will auch vergewaltigten Frauen einen Abbruch mit dem Versprechen verwehren, der Staat werde für die Kosten des Kindes aufkommen. Die seit 1987 in Österreich lebende Sozialarbeiterin Ayse Basari zeigt sich entsetzt über den Vorschlag der Regierung ihres Geburtslandes und deren Sprache: "Die Frauenvereine und die Frauenbewegung in der Türkei sind in Anbetracht der Repression nicht nur mutig, sondern leisten große und gute Arbeit, aber sie werden gegen die Regierung nichts unternehmen können", so ihre Einschätzung gegenüber dieStandard.at.
"EU und USA müssen Druck machen"
Ihre Hoffnung setzt die bei Orient-Express tätige Basari auf die Länder der EU und die USA. "Die türkische Regierung kann ohne diese beiden gar nichts machen. Sowohl die EU als auch die USA müssen die türkische Regierung unter Druck setzen", lautet ihre Aufforderung. Die Stimmung in der Türkei sei sehr durchwachsen, wenn auch islamische FundamentalistInnen dominieren. Dies spiegle sich sowohl in der Medienlandschaft als auch im Parlament wieder, erklärt die Sozialarbeiterin.
"Die liberalen Zeitungen sind klar gegen dieses Gesetz, die großen, konservativen Zeitungen unterstützen jedoch den Plan der Regierung", so ihre Medien-Beobachtung. Doch von einer Einhaltung der Menschenrechte könne in der Türkei generell nicht die Rede sein, lautet ihre Analyse, daher "kann man auch von Frauenrechte nicht sprechen". Basari fügt hinzu, dass man sich als ÖsterreicherIn nicht über die Türkei aufregen solle, "denn Österreich verwehrt Migrantinnen ebenso Menschenrechte und in Folge auch Frauenrechte. Migrantinnen haben hier keine Möglichkeit eine eigene Identität aufzubauen."
Kein Mitspracherecht
In der Türkei ist Abtreibung seit 1983 legal. Ohne Angaben von Gründen können Frauen derzeit einen Abbruch bis zur zehnten Schwangerschaftswoche durchführen lassen. "Mein Körper, meine Entscheidung" lautet daher Basaris Credo, das auch auf den Transparenten der DemonstrantInnen in Istanbul zu lesen war. Die Kundgebung am Sonntag war die bisher größte von AbtreibungsbefürworterInnen n in der Türkei. "Aber auch das wird nichts an der Meinung der Regierung ändern können", meint Basari. Überhaupt hätten NGOs in der Türkei kaum Mitspracherechte. (eks, dieStandard.at, 4.6.2012)