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Möglicher neuer ORF-Standort in St. Marx.

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Wien - Selbstironie auch in brenzligen Situationen ist eine der Stärken von Alexander Wrabetz: "Die Standortfrage ist für den heurigen Sommer geklärt", alberte der ORF-General Montagvormittag, als er Übertragungen von den Salzburger Festspielen 2012 präsentierte: "Der ORF ist in Salzburg und Salzburg ist im ORF."

Arbeitsgruppe löst sich auf

Die Stiftungsräte des ORF in der zuständigen Arbeitsgruppe fanden weniger spaßig, wie Wrabetz mit dem künftigen ORF-Standort umgeht. O-Ton nach der Sitzung: "Die vorgelegten Berechnungen machen es unmöglich, eine Empfehlung abzugeben." Wrabetz habe „keinen begründeten Standortvorschlag unterbreitet. Die vorgelegten Zahlen waren weder schlüssig noch vergleichbar." Wrabetz habe sich in der Sitzung für St. Marx ausgesprochen: "Dieser Präferenz konnte die Arbeitsgruppe mehrheitlich nicht folgen." Sie stelle ihre Tätigkeit „mit heutigem Datum ein".

Wrabetz könnte dennoch Ende Juni den erwarteten Antrag auf ein neues ORF-Zentrum stellen. Das Klima in der Gruppe klang nicht danach. Wrabetz will wie bisher keine Abstimmung im Stiftungsrat verlieren. Und eine in die hunderten Millionen gehende Langzeitinvestition wie die Standortfrage will der ORF-Chef erklärtermaßen nicht mit knapper Mehrheit im Stiftungsrat beschließen.

Gewagter Zickzackkurs

Umso gewagter wirkte sein rechnerischer Zickzackkurs: Erst war St. Marx auf 35 Jahre gerechnet die teuerste Variante nach drei Standorten in Wien wie bisher und dem Küniglberg. Dann war St. Marx mit kühn gerechneten Synergien die günstigste. Auf Nachfrage der Räte lag sie zuletzt wieder auf Platz zwei hinter einem zentralen Standort im sanierten ORF-Zentrum Küniglberg.

Hinter den wechselnden Kalkulationen könnte Kalkül stecken, vermuten ORF-Kenner: Wrabetz dürfte für die Unterstützung des Wiener Bürgermeisters bei seiner ORF-Wiederwahl 2011 den Umzug nach St. Marx versprochen haben. Doch gegen so massiven Widerstand der Räte (den er provoziert habe) gehe das eben nicht.

Eine für St. Marx geplante Sparmaßnahme bot die Filmstadt Wien (MR Film) längst für den Küniglberg an: Sie wolle die Studios betreiben, wenn sie der ORF auslagert. (Harald Fidler, DER STANDARD, 5.6.2012)