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ORF-Betriebsrat Gerhard Moser.
STANDARD: Sie waren Mitglied in der Arbeitsgruppe für den künftigen ORF-Standort. Dort äußerte ORF-General Wrabetz Präferenzen für Neubau in St. Marx, erhielt in der Arbeitsgruppe aber keine Mehrheit. Kann man davon auch auf den ganzen Stiftungsrat schließen?
Moser: Das lässt sich so nicht sagen. Eines der Probleme dieser „Wiener Standortfrage" ist die Tatsache, dass sie sehr rasch zu einem Politikum geworden ist oder gemacht worden ist. Hier die Interessen der einen großkoalitionären "Reichshälfte" dort die der anderen. Dazwischen steht – und das ist ja der wahre Punkt – die ORF-Belegschaft, die um ihre Arbeitsplätze fürchten muss. Wenn ab Sommer zwecks Sanierung des ORF-Zentrums ein beträchtlicher Teil der MitarbeiterInnen am Küniglberg in Container oder sogenannte "Ersatzstandorte" abgesiedelt wird ohne eine klare Perspektive für eine Rückkehr, wenn Standortberechnungen unter dem Signet der „Synergien" , sprich: eines Personalabbaus, präsentiert werden, dann ist in der Tat Schluss mit lustig.
STANDARD: Sie haben sich für die Beibehaltung aller bisherigen Standorte ausgesprochen – wie begründen Sie die Präferenz, abgesehen von Bequemlichkeit für alle Beteiligten und womöglich der Hoffnung, dass so am wenigsten weitere Jobs eingespart werden?
Moser: Wenn ich noch einmal diesen Unsinn von der „Bequemlichkeit" der MitarbeiterInnen oder des im Funkhaus wehenden "Nostalgiestaubs" höre – meines Wissens wurde das von höchster ORF-Etage aus verbreitet -, dann geht mir – sorry – das wienerische „Geimpfte" auf. Jede Kollegin, jeder Kollege ist sofort dabei, einen attraktiven ORF für die nächsten Jahre und Jahrzehnte mitzugestalten. Keiner von uns wird sich aber für städtebauliche Experimente oder sog. „Konzentrationslösungen" hergeben, die – und das ist Faktum – massiven Personalabbau und eine wirtschaftliche Anbiederung des ORF an private Konkurrenten oder öffentliche „Geldgeber" bedeuten.
STANDARD: Weitere Jobkürzungen sind auch ohne St. Marx angekündigt; wurden Sie als Betriebsrat auch schon näher über weitere Auslagerungspläne informiert? Kolportiert werden sie etwa für Teile der Technik, Ausstattung, Studios etc.
Moser: Wir sparen seit etlichen Jahren. Wir haben im Laufe von drei Jahren 14 Prozent der MitarberterInnen verloren. Das heißt, jeder siebte ist weg und nachbesetzt wurde nichts. Ich verwende das Wort ungern, aber wir stehen tatsächlich am "Stehkragen". Und wo da noch weiter gespart oder ausgelagert werden soll, entzieht sich meiner Kenntnis.
STANDARD: Die wahrscheinlichste Variante für den künftigen Standort dürfte nun aber der Küniglberg sein, teilen Sie den Befund und was halten Sie davon?
Moser: Bin kein Wahrscheinlichkeitsrechner. Sage aber, dass die einzig vernünftige, sowohl wirtschaftliche als auch identitätsstiftende Variante für den ORF in Wien die Beibehaltung des Küniglbergs und des Funkhauses ist.
STANDARD: Die schnellsten Postings zur Auflösung der Arbeitsgruppe prügelten die ÖVP und ihre Stiftungsräte: Sie hätten aus dem Zusammenhang gerissene Berechnungen nach außen gespielt, den neuen Standort nur Wrabetz zufleiß torpediert und so den ORF in ein "Sanierungsdesaster" und eine "finanzielle Katastrophe geführt". Teilen Sie den Befund?
Moser: Wie gesagt: Eines der Probleme hier ist die Politisierung der Frage.
STANDARD: Die Theorie kursiert, Wrabetz habe die Ablehnung der Arbeitsgruppe geradezu provoziert: Gegen den Willen der Stiftungsräte könne er sein Versprechen an die Wiener Stadtregierung für seine Wiederwahl 2011 einfach nicht einlösen. Halten Sie das für realistisch?
Moser: Sorry, was im Kopf des GD vorgeht kann und will ich nicht beurteilen.
STANDARD: Fühlt man sich als Aufsichtsrat eigentlich ernst genommen, wenn man in wenigen Wochen und auf Nachfrage drei unterschiedliche Berechnungen zu einem Großprojekt bekommt?
Moser: Klare Antwort: Nein! (fid, derStandard.at, 5.6.2012)