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Frauenproteste in Istanbul gegen das geplante Abtreibungsverbot: "Unser Körper gehört uns" und "Wir widersetzen uns seinem Druck" steht auf Transparenten, die auf Premier Erdogan abzielen.

Foto: Reuters

Istanbul - "Mein Körper, meine Entscheidung" ist ein Slogan, mit dem der fromme türkische Premier Tayyip Erdogan und seine Gefolgsmänner nun wirklich nichts anfangen können. Seit zwei Wochen aber wehren sich türkische Frauen mit dieser Losung gegen die geplante Einschränkung der Abtreibung, die Erdogan plötzlich auf die politische Tagesordnung gesetzt hat. Auch am Freitagabend gingen Frauen in mehreren Großstädten auf die Straßen.

"Ich bin ein Regierungschef, der gegen den Kaiserschnitt ist. Ich betrachte Abtreibung als Mord", hatte Erdogan Ende Mai einer überraschten Öffentlichkeit in der Türkei erklärt. Die Äußerung fiel in einer Rede zum Abschluss einer UN-Konferenz zur Bevölkerungsentwicklung, die in Istanbul stattfand. Rasch trieb Erdogan sein neues Thema in einer weiteren Rede vor Funktionären seiner Regierungspartei AKP voran. Minister und Abgeordnete kamen dem Premier eilfertig zur Hilfe, binnen Stunden wurde ein Gesetz gegen die Abtreibung angekündigt, das noch Ende Juni durch das Parlament soll. Auch der Chef der staatlichen Religionsbehörde, von dem erwartet wird, dass er sich mit Kommentaren zur Tagespolitik zurückhält, gab - angeblich auf Anweisung Erdogans - eine Erklärung an die Gläubigen ab; ein Embryo im Bauch einer Mutter habe ein Recht auf Leben, sagte Mehmet Görmez.

Gleichsetzung von Abtreibung und Mord

Geplant ist nun die Frist für Abtreibungen von derzeit zehn auf vier Wochen zu verkürzen oder Abtreibungen außer in medizinischen Notfällen ganz für illegal zu erklären. "Wir müssen unsere Frauen erziehen", erklärte Familienministerin Fatma Sahin, Abtreibung sei zu einer Art Geburtenkontrolle geworden. Als besonders skandalös wurde die Aussage von Gesundheitsminister Recep Akdag empfunden: Der Staat werde sich um das Baby kümmern, sollte der Mutter "etwas Schlechtes" zugestoßen sein; der Minister umschrieb damit die Vergewaltigung einer Frau.

Vor allem Erdogans Gleichsetzung von Abtreibung und Mord hat auch regierungsnahe Intellektuelle verstört. Erstmals sprach sich am Freitag auch eine AKP-Abgeordnete gegen eine Verschärfung der Abtreibungsregeln aus. "Die derzeitige Regelung war gut", sagte Nursuna Memecan der Tageszeitung Hürriyet. Wenn man Abtreibungen verbietet, zwinge man Frauen mit gefährlichen Risiken in die Illegalität, sagte sie. (Markus Bernath/DER STANDARD Printausgabe, 9.6.2012)