Die Theatertruppen Institutet und Nya Rampen bei der direkten Performance-Arbeit - in der Regie von Markus Öhrn.

Foto: Festwochen

Wien - Der Keller liegt auf Augenhöhe. Das muss so sein, denn worauf Conte d'Amour den Blick richtet, sind die Dinge, die sonst im Verborgenen passieren: wie ein Mensch von einem anderen Besitz ergreift, ihn wegsperrt wie sein Eigentum. Vorbild für die skandinavischen Theatertruppen Institutet und Nya Rampen, die die Performance unter der Regie des Videokünstlers Markus Öhrn realisierten, war das " Inzest-Monster" Josef Fritzl.

Der Keller ist ein mit Planen verhängtes Eisengerüst. Auf diesem Keller stehen Sofa und Zimmerpalme, signalisieren: Alltag. Normalität. Ein Mann (Jakob Öhrman) sitzt dort, Klischee des häuslichen Gewalttäters. Seine karierten Socken sind streng hinaufgezogen, der Bademantel weit offen. Breitbeinig präsentiert er sein Gemächt im knappen Slip.

Bald steigt er hinab in seine selbsterschaffene Unterwelt. Dort sitzt eine Frau (Elmer Bäck) in rosa Spitzenleggins, BH- und Shirtträger nachlässig verrutscht. Daneben zwei Jungen (Rasmus Slätis, Anders Carlsson), einer noch in Windeln, kreischend und kichernd. Die vier bilden eine makabre Familie - am perversesten, wenn sie Alltag kopieren. Gemeinsames Essen etwa: Papa richtet seinen Gefangenen die Menüs an, wischt der Frau über den Mund. Gesten der Fürsorge als Gewaltanwendung.

Wie aus einem Big-Brother-Container übertragen Kameras die Ereignisse auf eine Wand. Drei Stunden können die Zuschauer dieses Zusammenleben verfolgen. Ausdrücklich sind sie aufgefordert, dabei auszutreten oder ihre Getränke nachzufüllen. Freilich ist hier Voyeurismus im Spiel. Vor allem aber will man verstehen.

Hingebungsvoll, ohne Rücksicht auf Verluste graben sich die Performer in die Abgründe menschlichen Begehrens. Zwar spielen sie mit dem Grauen, der gruseligen Aura des Fritzl-Kellers. Stöhnen und Murmeln erschallen, wegen angedeuteter Missbrauchsszenen ist die Veranstaltung erst ab 16 zugelassen.

Vor allem aber zeigen sie, wie haarfein die Grenze ist zwischen Zuwendung und brutaler Zurichtung des anderen. Wie schnell romantische, unbedingte Liebe in Habsucht umschlagen kann. Nicht umsonst sind auf der Bühne McDonalds und Coca-Cola allgegenwärtig. Die Koordinaten einer Gesellschaft, deren Ideal heißt: Nimm dir, was Du willst. Jetzt. Und mach es zu deinem Eigenen. Es gibt mehr als nur eine Wahrheit, sagt dieses kluge, überraschende und spannende Stück. Liebe kann manchmal böse sein.   (Andrea Heinz,   DER STANDARD, 9./10.6.2012)