Clown-Aktivisten bei der Demonstration.

Foto: derStandard.at/Hackl

Kinder halten ein Schild hoch: "1967: Palästinenserstaat neben Israel".

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"Wir wollen keine Besatzer sein", haben einige der israelischen Demonstranten gerufen und dabei teilweise israelische und palästinensische Flaggen geschwungen. Für die aktuelle Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu fanden sie keine guten Worte: Diese sei "rassistisch", und man müsse sie "stürzen". Doch dieser Wunsch ist angesichts der geringen Zahl an Demonstranten bereits im Keim erstickt. Die Sehnsucht nach Massenprotest war spürbar. Die Massen jedoch nicht.

Dabei bemühten sich die Demonstranten um den thematischen Anschluss an die Sozialproteste des letzten Sommers, die Hunderttausende auf die Straßen gebracht hatten: "Keine soziale Gerechtigkeit ohne ein Ende der Besatzung" und "Das Volk fordert ein Ende der Besatzung", stand am Wochenende in Tel Aviv auf Transparenten. Das war eine klare Anspielung auf den zentralen Schlachtruf der Sozialproteste des letzten Sommers: "Das Volk fordert soziale Gerechtigkeit".

"Die Anführer der Proteste für soziale Gerechtigkeit wollten nichts mit dieser Demo zu tun haben. Das ist ein Fehler. Sie fordern einen sozialen und gerechten Staat. Aber wie soll das gehen, wenn Israel weiterhin die Palästinensergebiete besetzt?", meinte Eyal, einer der israelischen Aktivisten. Ein anderer israelischer Demonstrant trug ein Transparent mit der Aufschrift "Soziale Gerechtigkeit, aber auch für Palästinenser". Manchen Passanten war das wohl zu viel Gerechtigkeit, denn kurzzeitig gingen einige Eier auf den Demonstrationszug nieder.

"Zu radikal"

Bei der Schlusskundgebung kamen mehrere palästinensische Israelis zu Wort. Darunter auch eine israelische Frau aus der Gemeinschaft der Beduinen, die im Süden Israels von Zwangsräumungen bedroht sind. "Wir wollen in Würde leben. 1948 wurden zehntausende Palästinenser von Israel vertrieben. 1967 hat Israel mehr Land besetzt. Dann haben sie Gaza angegriffen", rief sie in die zu Ende hin austrocknende Menge, die sich um das Podium versammelt hatte.

Dass bei der Kundgebung bis ins Jahr 1948 zurückgegriffen wurde und einige die Staatsgründung Israels dabei auch Besatzung nannten, war letztlich auch einigen der Demonstranten zu viel. "Das ist mir etwas zu radikal. Sie sollten die Vergangenheit einmal ruhen lassen und nicht immer von 1948 sprechen", meinte Adi, eine Demonstrantin aus Tel Aviv, die im vergangenen Sommer regelmäßig an den Protesten teilgenommen hatte.

Über Briefbotschaften gab es dann auch ein paar Stimmen von Palästinensern, die im Westjordanland unter israelischer Besatzung leben. Neben einem zehnjährigen Buben aus Hebron, der von der Gewalt der israelischen Siedler und der Vertreibung seiner Großmutter schrieb, wurde auch eine Botschaft des ehemaligen hungerstreikenden Häftlings Thaer Halahleh überbracht.

"Ich danke allen Israelis, die während unseres Hungerstreiks Solidarität gezeigt haben. Ich hoffe, es wird in Zukunft mehr Punkte geben, in denen wir übereinstimmen", schrieb Halahleh, der 77 Tage im Hungerstreik war und vor kurzem freigelassen wurde. (Andreas Hackl, derStandard.at, 10.6.2012)