Karl Katzinger jun. und sen. bei der Lagebesprechung.

Foto: derStandard.at/Marietta Türk

Der 91-Jährige lernt gerne interessierte junge Menschen bei seinen Kursen kennen.

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Beim Sensewetzen.

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Das Dengeln verlangt vor allem eines: viel Geduld.

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Gärtner Nikolaus Maier denkt Arbeiten und Wirtschaften anders.

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Am Gelände der Gärtnerei leben auch vier Bienenvölker.

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"Nicht zu viel Gras auf einmal, nicht zu viel bücken und die Sense weiter am Körper halten." Karl Katzinger hat seine Kursteilnehmer genau im Blick, Anfängerfehler entgehen ihm nicht, das Mähen nimmt er ernst. Vor etwa acht Jahren hatte der ehemalige Künstler die Idee, neben seiner Tätigkeit als Landwirt, Selbstversorger und Kulturschaffender auch sein altes Sensenmähwissen weiterzugeben. 

Prüfender Blick auf die Schneid

Seitdem hält der 59-Jährige mehr oder weniger regelmäßig Kurse im Raum Linz, Salzburg und ab und zu auch in Wien ab. Sein 91-jähriger Vater unterstützt ihn dabei. Dessen Metier ist das Dengeln - das Schärfen der Sensenblätter, ohne das gar nichts geht. Das dazugehörige Geräusch - das Klopfen von Metall auf Metall - ist einprägsam, aber aus ein paar Metern Entfernung schon sehr erträglich. 

Fleißig treiben die Kursteilnehmer das Metall mit ihren Hämmern aus. So lange, bis es so dünn ist, dass es schneidet. Immer mit dem prüfenden Blick von Katzingers Vater über der Schulter. Er schwört auf altes Mähwerkzeug, das noch mit Sorgfalt behandelt wurde. Ihm macht das Unterrichten seiner Schüler sichtlich Spaß, ein spitzbübisches Grinsen kommt ab und zu zum Vorschein, wenn die Hämmer Pause machen. "Wer eine Sense hat, muss auch Dengeln können", heißt es dann, und er ermutigt zum Weitermachen.

Meditatives Schneiden und Schwingen

Auf der saftigen grünen Wiese am Rande von Linz mühen sich freiwillig Menschen ab, die das Handwerk erlernen wollen. "Für mich als Büromenschen ist es anstrengend, aber ich mache es aus Interesse und finde es schön, Altes zu erhalten", sagt eine Teilnehmerin. Und wieder rauscht eine Sense durchs feuchte Gras. 

Beim Arbeiten wird es ganz schön warm, ein Eindruck davon, wie es war, früher stundenlang am Feld zu arbeiten. Der 34-jährige Paul hat sich gerade einen Garten zugelegt, den will er künftig mit der Sense bearbeiten. Er macht gute Fortschritte im Laufe des Nachmittags, arbeitet sich Schneise für Schneise vor. Manchmal fährt die Sense auf einen Ameisenhügel auf. Das ist nicht gut, weil das Gerät davon stumpf wird. Karl Katzinger ist zur Stelle und verteilt Wetzsteine. Auch das Wetzen ist kein einfaches Unterfangen, nur nicht zu große Striche ziehen.

Für Karl Katzinger hat das Sensenmähen "etwas Meditatives". Manchmal, erzählt er, "gehe ich vor dem Frühstück raus und mähe".

Erdige Früchte

Gleich angrenzend an die Wiese liegt die Leisenhof-Gärtnerei, direkt gegenüber dem Petrinum, einer katholischen Schule. Man kennt sich: Die Demeter-Gärtnerei wird von Nikolaus Maier geführt, der auch beim Zusammenrechen der Halme vom Sensenkurs hilft. 

Gemeinsam mit seinem Team, in dem derzeit etwa zehn Personen mitarbeiten "und sich verantwortlich fühlen", versorgt er seit acht Jahren Menschen im Raum Linz mit Lebensmitteln. Das Besondere daran: Jeder hat die Möglichkeit, direkt mitzuhelfen und dafür mit Naturalien wieder nach Hause zu gehen. Ein Teil der Ernte wird verkauft.

Rein wirtschaftlich betrachtet geht sich das Konzept gerade so aus. "Es funktioniert aber nur, weil es Freiwillige gibt, die daran glauben", so Nikolaus Maier. Ein Ehepaar etwa lebe von einem Einkommen, einer arbeitet in der Gärtnerei und bekommt dafür Obst und Gemüse. Zu Mittag wird gemeinsam gekocht. Nur jene Mitarbeiter, die keinem Broterwerb nachgehen und Geld dringend brauchen, bekommen einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf.

Arbeiten mit den Händen

Angebaut wird alles von Hand, der ehemalige Industriekaufmann versucht auch das Saatgut selbst herzustellen. So ist er etwas unabhängiger von den Lieferanten. Die Jungpflanzen wachsen im mit Kompost bewärmten Glashaus heran, sofern es die Jahreszeit verlangt. Gearbeitet wird mit biologisch-dynamischer Anbauweise. In Reihenmischkultur wachsen unter anderem duftende Kräuter, Kren, Rote Rüben, Kartoffeln und sogar Yams. "Macht man eine Zeit lang alles mit der Hand, wird man sich erst bewusst, wie brutal eigentlich Maschinen sind", sagt der Gärtner.

Für einen halben Tag pro Woche kommen Jugendliche von der Caritas und Pro Mente im Rahmen eines Arbeitsanbahnungsprojekts. "Wir versuchen sie behutsam an die Arbeitssituation heranzuführen", erzählt Nikolaus Maier. Und auch Schüler- und Kindergartengruppen weiß er für die Natur und ihre Früchte zu begeistern.

Nikolaus Maiers Vision ist "ein Kranz von ähnlichen Gärtnereien rund um die Städte", doch er ist am Boden geblieben und freut sich, dass seine Idee im Kleinen funktioniert. Die ausverkauften Gemüsesteigen im Verkaufsraum und das saftige Grün und Bunt rundherum geben ihm recht. Nikolaus Maier ist eine Art Missionar, genauso wie Karl Katzinger und sein Vater - alle drei sind sehr erdig in dem, was sie tun und weitergeben - bei dem einen oder anderen Schüler fällt das auch auf fruchtbaren Boden. (Marietta Türk, derStandard.at, 19.6.2012)