Werden Solaranlagen über Darlehen finanziert, drohen der Gemeinde hohe Strafen. Bürger müssen daher zu Eigentümern werden.

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Bürgerbeteiligungen zur Förderung sauberer Energie sind in Österreich groß im Kommen. Das funktioniert nach folgendem Modell: Die Einwohner geben der Gemeinde Geld, mit dem diese ein Kraftwerk für erneuerbare Energie baut, etwa eine Fotovoltaikanlage. Die Bürger erhalten im Gegenzug Zinsen oder eine andere Vergütung und die Gemeinde hat ein Prestigeprojekt, das nachhaltigen Strom erzeugt. Mehrere österreichische Ortschaften haben sich bereits dafür entschieden. Auch die Wien Energie hat im Mai ihr erstes Bürger-Solarkraftwerk eingeweiht.

Doch überall, wo Sonne ist, gibt es auch Schatten. Im Falle der Bürgerbeteiligung kommt die Dunkelheit in Form der Gesetze: Je nachdem, wie die Finanzierung ausgestaltet ist, kann nämlich der Tatbestand des bankrechtlichen Einlagengeschäfts verwirklicht sein. Wird dieses ohne Konzession betrieben - und welche Gemeinde verfügt schon über eine solche -, droht eine Geldstrafe von bis zu 100.000 Euro - und das für ein von allen Seiten gewünschtes Projekt. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) hat daher bereits einige Gemeinden aufgefordert, ihre Bürgerbeteiligungen wieder einzustellen.

Um zu verstehen, wie das möglich ist, muss ein Ausflug ins Bankwesengesetz unternommen werden. § 1 enthält einen Katalog der Geschäfte, deren Betrieb konzessionierten Banken vorbehalten ist. Eines davon ist das Einlagengeschäft - die gewerbliche Entgegennahme fremder Gelder zur Verwaltung oder als Einlage. Beim Sparbuch etwa handelt es sich um ein klassisches Einlagengeschäft.

In den letzten Jahren ließ der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) jedoch mit einigen Entscheidungen aufhorchen, mit denen er den Einlagenbegriff stark ausdehnte. Demnach wird fremdes Geld schon dann als Einlage entgegengenommen, wenn der Geldnehmer Schuldner des Geldgebers wird und Letzterem ein - wenn auch nur bedingter - Anspruch auf Rückzahlung zusteht. Dieser Rückzahlungsanspruch muss auch der Hauptzweck des Geschäfts sein. Damit soll das Einlagengeschäft von synallagmatischen (entgeltlichen) Rechtsgeschäften, wie etwa dem Kauf, abgegrenzt werden.

Gefährliche Darlehen

Bei den Ortschaften, die in den Fokus der FMA gerieten, war die Sachlage ähnlich: Sie setzten ihre Bürgerbeteiligungen mittels Darlehensfinanzierungen um. Die Bürger gewährten der Gemeinde also einen Kredit und zahlten die Valuta auf das Gemeindekonto. Die Gemeinde verpflichtete sich im Gegenzug zur Zinszahlung und Darlehenstilgung. Eine andere "Leistung" versprach sie nicht. Die errichtete Anlage ging nicht ins Eigentum oder den Bestand der Bürger über. Ein Synallagma " Leistung gegen (andere) Leistung" lag also nicht vor. Damit war in den Augen der FMA der Tatbestand des Einlagengeschäfts erfüllt - ausgehend von der Rechtsprechung des VwGH auch zu Recht.

Die Gemeinde befand sich in einem Dilemma: Die Solaranlage war bereits errichtet, und die Bürgerbeteiligung sollte weitergeführt, der unrechtmäßige Zustand aber jedenfalls beseitigt werden. Man entschied sich daher, die rechtliche Struktur des Kraftwerks in ein Sale-and-Lease-Back überzuführen.

Die Gemeinde soll dazu die einzelnen Solarpaneele an die beteiligten Bürgern verkaufen, um sie gleichzeitig wieder zurückzuleasen. Damit ist das Geld der Bürger nicht mehr als Einlage entgegengenommen, sondern als synallagmatische Gegenleistung für die Eigentumsbeschaffung erbracht. Als Eigentümer haben die Bürger auch mehr Rechte und sind im Zahlungsausfall der Gemeinde besser geschützt. Monetär soll sich für die Bürger nichts ändern, weshalb der Leasingzins der Höhe nach der Darlehensverzinsung und -tilgung angepasst wird.

Anfang Juni hat die FMA dieses Modell nach eingehender Prüfung abgesegnet. Auf dieser Grundlage steht dem von Einwohnern finanzierten sauberen Strom nichts mehr im Wege. (Ernst Brandl, Roman Rericha, DER STANDARD, 13.6.2012)