Nicolaus Schafhausen wird Nachfolger von Gerald Matt.

Foto: Physics Room

Wien - Die Entscheidung, wer Gerald Matt als künstlerischer Leiter der Kunsthalle Wien nachfolgen soll, ist gefallen. Die von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) eingesetzte Jury reihte den deutschen Kurator Nicolaus Schafhausen an die erste Stelle. "Mit Nicolaus Schafhausen ist es uns gelungen, einen der erfolgreichsten Kunstmanager Europas für Wien zu gewinnen. Als Leiter zahlreicher Kunsteinrichtungen bringt er Führungskompetenz und -erfahrung mit und ist damit die geeignete Person für den Neustart", gab Mailath-Pokorny am Donnerstag bei der Vorstellung bekannt.

In die engste Wahl sollen auch Marc-Olivier Wahler, Direktor des Palais de Tokyo in Paris, und Lentos-Chefin Stella Rollig gezogen worden sein.

Profiliert in Kunstvermittlung

Schafhausen, geboren 1965 in Düsseldorf, war am Anfang seiner Karriere Künstler, 1991 gründete er in Berlin mit Markus Schneider die Galerie Lukas & Hofmann. Schafhausen leitete von 1995 bis 1998 das Künstlerhaus Stuttgart, von 1999 bis 2005 war er Direktor des Frankfurter Kunstvereins. Seit 2006 ist er Chef des Witte de With, dem Zentrum für Gegenwartskunst in Rotterdam, welches sich im Bereich der Kunstvermittlung auch international hochgradig profiliert hat.  Zweimal, 2007 (Isa Genzken) und 2009 (Liam Gillick), kuratierte er den deutschen Pavillon auf der Kunstbiennale von Venedig.

Schafhausen ist sich seiner Aufgabe und der turbulenten Vergangenheit des Hauses durchaus bewusst, wie er bei der Pressekonferenz zu erkennen gab: "Ich habe immer sehr gerne Probleme gelöst." "Ich freue mich sehr auf die Herausforderung, der renommierten Kunsthalle Wien ein neues Profil zu verleihen. Die Stadt Wien mit ihrer vitalen Kunstszene, ihren vielfältigen Institutionen, ihrem aufgeschlossenen und ungewöhnlich aktiven Publikum bietet eine produktive Plattform für die Auseinandersetzung mit der Kunst der Gegenwart, ihren Fragestellungen und Ideen."

Die laufenden Ermittlungen interessieren ihn auf einer "abstrakten" Ebene: "Vielleicht mache ich eine Ausstellung zu Recht und Demokratie." Er wolle sich aber auf jeden Fall nicht die kommenden fünf Jahre mit den Altlasten herumschlagen, sondern die Kunsthalle sichtbarer und bekannter machen - "jenseits des Skandals" und "gemeinsam mit den Mitarbeitern". Schafhausen: "Die Kunsthalle macht erste Reihe Programm, sitzt aber in der zweiten Reihe." Für das Haus sollen nun einmal Ideen entwickelt werden. "Mich interessieren diskursive Themen, die provokanten Ursprungs sein können, ohne dann populistisch zu sein." Vorstellen könnte er sich eine Ausstellung mit dem französischen Autor Michel Houellebecq zur "Möglichkeit einer Insel", weil er das wohlhabende Wien beinahe als Insel wahrnehme. Die Stadt habe sich in den vergangenen 20 Jahren sehr verändert, aber noch keine zeitgenössische Identität gefunden und keine Visionen formuliert.

Positive Resonanz von ÖVP und Grünen

Wien kennt Schafhausen durch gemeinsame Projekte mit den Galerien Ernst Hilger und Meyer Kainer - und auch durch eine Zusammenarbeit mit der Kunsthalle: Seit dem Jahr 2000 war er im Vorstand der Ursula-Blickle-Stiftung, gemeinsam mit Matt und seinem Vorgänger beim Frankfurter Kunstverein, Peter Weiermeier. Im Rahmen der Blickle-Lounge hat Schafhausen auch bereits an der Kunsthalle kuratiert.

Erfreut zeigte sich der Kultursprecher der Wiener Grünen, Klaus Werner-Lobo, in einer Aussendung: "Schafhausen spielt in der Oberliga des internationalen Kunstbetriebs - da, wo wir auch die Kunsthalle sehen wollen." Beim Frankfurter Kunstverein ebenso wie beim Witte-de-With-Museum habe er "neue Vermittlungsmodelle und den ständigen Dialog mit dem Publikum erprobt. Diesen partizipativen Ansatz wünschen wir uns auch für Wien, wo es sowohl um internationale Strahlkraft als auch um ortsspezifische und zeitgenössische Bezüge unter Einbeziehung der lokalen Kulturszene geht."

Auf positive Resonanz stößt der neue Kunsthallenchef auch bei der Wiener ÖVP. "Der zeitgenössischen Kunst wird durch die Neubestellung von Nicolaus Schafhausen endlich wieder jene Aufmerksamkeit gewärtig, die durch die persönlichen Eitelkeiten seines Vorgängers vollkommen in den Hintergrund gedrängt wurde", so ÖVP-Wien-Kultursprecherin Isabella Leeb in einer Aussendung. "Zumindest künstlerisch" scheine die "Causa Kunsthalle" einem "guten Ende zuzusteuern".

Weitere Ermittlungen

Noch vor der offiziellen Bekanntgabe verabschiedete sich am Dienstag die langjährige Pressesprecherin des Hauses, Claudia Bauer. Sie war seit 17 Jahren für die Kunsthalle tätig. Am Mittwoch wurde ebenfalls bekannt, dass die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den laufenden Untersuchungen gegen den im März zurückgetretenen Kunsthallen-Direktor Matt nun auch gegen den ehemaligen Vorstand des Trägervereins (Thomas Häusle und Siegfried Menz) sowie die langjährige Geschäftsführerin (1997-2011) der Kunsthalle, Bettina Leidl, ermittelt.

Hinsichtlich  der Ermittlungen  wiegelte Mailath-Pokorny im Rahmen der Pressekonferenz ab. "Es gibt mittlerweile Regale von Prüfberichten, nun sind die Behörden am Zug." Von einer Veröffentlichung sehe man ab, da sich in den Berichten Daten fänden, die teilweise auch dem Personen- und dem Datenschutz unterliegen. "Es ist Augenmaß zu wahren", so Mailath-Pokorny: "Es ist schließlich niemand verurteilt noch sind weitere Schritte eingeleitet worden."

Gegen diese Sichtweise wandte sich VP-Kultursprecherin Leeb:  Die Vergangenheit warte  auf Aufarbeitung, die fertigen Prüfberichte müssten jedenfalls veröffentlicht werden, die "fadenscheinige Ausrede des Datenschutzes" werde nicht ausreichen.  (APA/trenk, DER STANDARD, 14.6.2012, online ergänzt)