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Alfred Nobel (1833-1896): "Ich habe keine Wirtschaftsausbildung und hasse sie von Herzen", heißt es in einem Briefdokument des Preisstifters. Auch dessen Urenkel bemühen sich nach wie vor um eine Abschaffung des Nobelpreises für Ökonomen.
Am Dienstag gaben der Wissenschaftsminister und der Präsident des FWF die diesjährigen Wittgensteinpreisträger bekannt. Dieser höchst dotierte österreichische Preis, den manche auch gerne den "Austro-Nobelpreis" nennen, ging heuer an zwei Männer. Damit steht es mittlerweile 28:3 zugunsten der Männer, und nur Beckmesser würden hinzufügen, dass das ein geschöntes Ergebnis ist, weil eine der drei Frauen sich den Preis mit ihrem Mann teilen musste. Der Preis wird seit 1996 vergeben und seither ist sogar in der bekanntermaßen sehr trägen Welt der Wissenschaften der Anteil der Frauen auf fast allen Ebenen angestiegen. Aber, die höchsten Auszeichnungen scheinen immer noch eine männliche Domäne zu sein. Das scheint weder die Jury noch die Geldgeber besonders zu stören.
Auswahlverfahren ...
Den heurigen Preisträgern sei die Auszeichnung gegönnt, sie werden wohl wirklich die Besten gewesen sein, die zu diesem Wettbewerb antraten. Allerdings darf man wohl darauf hinweisen, dass die Verteilung dieser Auszeichnungen nicht nur die Frauen massiv diskriminiert, auch ein Blick auf die wissenschaftlichen Disziplinen, die bislang für auszeichnungs- und förderungswürdig auserkoren wurden, lässt einen zweifeln, ob es bei dieser Auszeichnung fair zugeht.
Betrachtet man die wissenschaftlichen Disziplinen, die bislang für preiswürdig erachtet wurden, sieht man, dass für die Preise nur einige wenige Disziplinen infrage gekommen sind: Zwei Drittel aller Preise gingen an die Biologie, Physik und Mathematik, gefolgt von Chemie, Geschichte und acht weiteren Gebieten. Dreißig andere Wissenschaftsdisziplinen scheinen bislang nicht unter den Preisträgern auf. Das Spektrum reicht von Veterinärmedizin, über technische Wissenschaften, Architektur, Geografie, Rechtswissenschaften bis zu den Wirtschaftswissenschaften, der Theologie und der Soziologie.
Nun mag schon sein, dass in all diesen Verliererdisziplinen weniger "exzellente" Forscherinnen und Forscher zu finden sind, doch dass es jenseits des Trios aus den harten Wissenschaften überhaupt keine Preiswürdigen gibt, darf zumindest bezweifelt werden.
... ist einseitig und unfair
Ist es vielleicht so, dass das Auswahlverfahren einseitig ist und jene Wissenschaften benachteiligt, die im globalen Ranking der Wissenschaften weniger gut hineinpassen? Kann es sein, dass Österreichs Architekten, Ökonomen oder Juristen deswegen nicht preiswürdig sind, weil ihre Disziplinen intern anders organisiert sind als jene, die weltweit an den gleichen Fragen arbeiten und daher auch bei einer internationale Evaluation besser abschneiden?
Vielleicht findet sich ja ein Sponsor aus dem Kreis der 300 Österreicher, die über ein Vermögen verfügen, das größer als 100 Millionen Euro wert ist, der (oder die) einen Kaiserin-Sisi-Preis für die Habenichtse der Wissenschaften spendiert. Denn dass die Auslober des Wittgensteinpreises auf die Idee kommen, sich nach mehr als 15 Jahren über die Einseitigkeit ihres Auswahlverfahrens Gedanken zu machen, darf füglich bezweifelt werden. (Christian Fleck, DER STANDARD, 14.6.2012)
Christian Fleck ist Soziologe an der Uni Graz.
Ein Problem der Finanzkrise besteht darin, dass Ökonomen vieles als naturgesetzlich hinstellen. Und dann damit argumentieren, dass auch Nobelpreisträger bestimmte Methoden zur Überwindung der Krise als richtig ansehen. Und dass Politiker und Journalisten das Argument mit den Nobelpreisträgern einfach übernehmen.
Der Ökonomie-Nobelpreis ...
Ökonomie des Etikettenschwindels - eine Klarstellung ist angebracht: Es gibt keinen Wirtschaftsnobelpreis und daher auch keine Wirtschaftsnobelpreisträger. Der Nobelpreis wurde von Alfred Nobel (gestorben 1896) in seinem Testament gestiftet, und zwar für fünf Gebiete: Physik, Chemie, Medizin und Physiologie, Literatur, und für Friedensbemühungen. Er wird seit 1901 verliehen.
Und dann gibt es seit 1968 noch den von der schwedischen Reichsbank gestifteten Preis für Wirtschaftswissenschaften in Gedenken an Alfred Nobel. Die Führungsmannschaft einer Bank besteht in der Regel aus Ökonomen. Ökonomen haben es also geschafft, dass ein Preis, von dem Alfred Nobel nie etwas wusste und den er ziemlich sicher nie gestiftet hätte, verfälschend als Nobelpreis bezeichnet wird.
Eine der Formulierungen von Alfred Nobel lautet, der Preis solle "denen zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben". Welchen Nutzen die (akademische) Ökonomie derzeit der Menschheit leistet, ist ein ziemlich diskussionswürdiges Thema.
... ist Etikettenschwindel
Wirtschaftswissenschaftliche Theorien und Modelle (da werden auch viele Ökonomen zustimmen) haben noch nie denselben Zuverlässigkeitsgrad erreicht wie Theorien und Modelle etwa in Physik und Chemie. Indem man den Preis Nobelpreis nennt, erweckt man aber den Eindruck, man befinde sich in derselben Liga. Es gibt übrigens beispielsweise in der Mathematik zwei Preise, die innerhalb der Disziplin durchaus dasselbe Prestige haben wie ein Nobelpreis in den "klassischen" Nobelpreisfächern, die Fields-Medaille und den Abel-Preis. Der Abel-Preis ist auch etwa gleich hoch dotiert wie ein Nobelpreis. Die Mathematik versucht allerdings nicht, sich das Prestige eines Preises aus anderen Fächern anzueignen sondern hat Selbstbewusstsein genug, diese Preise entweder nach dem einem der Stifter (Fields) oder nach einem berühmten Mathematiker (Niels Henrik Abel) zu benennen.
In gewissem Sinne ist also der Preis der schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel ein Potemkinsches Dorf. Die PR hat aber funktioniert, man benutzt das Prestige anderer Fächer, und Öffentlichkeit, Politiker und Journalisten merken nach kurzer Zeit nicht mehr, dass das ganze vor allem eine PR-Aktion zur Imagepolitur des eigenen Faches war.
Und all das haben die Wirtschaftswissenschaften auch ohne Herrn Hochegger geschafft. (Erich Neuwirth, DER STANDARD, 14.6.2012)