Wien - Die in Österreich erstmals durchgeführte "BürgerInnenkonferenz" hat am Montag ihre Empfehlungen zum Thema "Genetische Daten: woher, wohin, wozu?" präsentiert. Bei dieser ersten Konsensuskonferenz, ein in Dänemark oder der Schweiz bereits etabliertes Instrument zur Bewertung neuer Technologien durch Laien, haben sich elf ausgewählte Bürger in mehreren Wochenendsitzungen in das Thema eingearbeitet und Experten dazu befragt.

Ihre Empfehlungen wurden nun dem Vorsitzenden des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), Knut Consemüller, übergeben, der sich dafür aussprach, die "BürgerInnenkonferenz" zu einem fixen Instrument bei der Behandlung brisanter Themen zu machen.

Beurteilung aus anderer Perspektive

"Normalerweise beraten Experten die Politiker, bevor diese entscheiden. Bei der 'BürgerInnenkonferenz' wird dieses Verfahren umgedreht", erklärte Peter Menasse von der PR-Agentur "communication matters", die die Konferenz im Auftrag des RFT zur Hebung des Bewusstseins über die Bedeutung von Forschung organisiert hat.

Laien würden ihr Wissen über ihr Umfeld, ihre soziale Schicht und ihre Betroffenheit einbringen und hätten andere Interessen und Perspektiven als Experten.

Partizipationsmöglichkeiten

Die Bürger seien die Adressaten neuer Technologien und sollten deshalb gehört werden, sagte Menasse, der auf das Beispiel Dänemark verwies, wo das Parlament bei brisanten Fragen eine Bürgerkonferenz einberuft. Mit der Organisation der ersten derartigen Veranstaltung in Österreich habe man auch der Politik zeigen wollen, welche Möglichkeiten der Partizipation es gebe.

Insitutionalisierung

Consemüller bezeichnete die erste "BürgerInnenkonferenz" als "geglückt". Sie sollte bei diffizilen Themen als politisches Instrument institutionalisiert werden, denn "neue Ideen werden nur durchsetzbar sein, wenn Konsens darüber hergestellt wird". So sei die Kerntechnik in Österreich ein weitgehend nicht-konsensfähiges Thema, weil nicht ausreichend darüber informiert worden sei.

Auf mögliche Themen für weitere "BürgerInnenkonferenzen" wollte sich Consemüller nicht festlegen, geeignet dafür wären "alle Themen, über die Konsens hergestellt werden muss, um etwas weiterbringen zu können, jene Themen, über die Unwissenheit herrscht, denn diese erzeugt Angst".

Publikum bleibt noch aus

Consemüller will das Instrument "BürgerInnenkonferenz" am Montag Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) vorstellen und empfehlen. Weiters sollen die Ergebnisse Anfang Juli Nationalratspräsident Andreas Khol (V) übergeben werden und in weiterer Folge allen Abgeordneten. Zudem werden die Ergebnisse auf der Website www.innovatives-österreich.at veröffentlicht und breitflächig in das österreichische Wissenschaftssystem kommuniziert.

Dass abgesehen von den 15 Forschern, die von den Bürgern als Auskunftspersonen eingeladen wurden, nur wenige Wissenschafter den Weg zur öffentlichen Befragung der Experten am vergangenen Wochenende im RadioKulturHaus in Wien gefunden haben, um einmal den Bürgern zuzuhören, bezeichnete Menasse als "enttäuschend".

Bewusstseinsbildung bei Ärzten

"Die Bürger" selbst, die Empfehlungen zu den Bereichen Information, Beratung und Bewusstseinsbildung, Forschung, Datenschutz und Recht sowie Ethik ausgearbeitet haben, erhoffen sich vom Ergebnis ihrer Arbeit, dass damit Bewusstsein bei Ärzten, medizinischem Personal und anderen Betroffenen zum sensiblen Umgang mit genetischen Daten erzeugt und in Gesetze einfließen werde. Zudem sollte es mehr Informationen für die Bevölkerung zu diesem brisanten Thema geben, etwa über die Medien.

Regierung soll auch Betroffene hören

Für den Datenschutz im Gesundheitsbereich ist nach Ansicht der "BürgerInnenkonferenz" der "höchstmögliche Standard" anzustreben. Empfehlenswert wäre in diesem Zusammenhang die Modernisierung der Datenerhaltungssysteme und der IT-Infrastruktur.

Im gesamten Gesundheitssystem sollte aktiv eine Schulung des ärztlichen und nichtärztlichen Personals hinsichtlich Datenschutz erfolgen. Um notwendige stichprobenweise Kontrollen bei den Datenhaltern durchführen zu können, sollte die Datenschutzkommission als externes staatliches Kontrollorgan materiell und personell angemessen ausgestattet werden.

Bestrafung auf allen Ebenen

"Um das Bewusstsein für die Wichtigkeit des Datenschutzes zu erhöhen und Missbräuchen vorzubeugen, sollten schwerwiegende Übertretungen von Datenschutzbestimmungen auf allen hierarchischen Ebenen streng gerichtlich bestraft (Freiheitsstrafen) werden.

Berufsverbote

Darüber hinaus sollten in sehr schwerwiegenden Fällen Berufsverbote und der Entzug von Berechtigungen erwogen werden", heißt es weiter in den Empfehlungen. Medizinische Daten sollten in dezentralen Datenbanken gespeichert werden, es sollte keine zentrale große Datenbank für Gesundheitsdaten eingerichtet werden. Das System der Erfassung und Speicherung genetischer Daten durch das Bundeskriminalamt (Stichwort "Genetischer Fingerabdruck") ist nach Ansicht der "BürgerInnenkonferenz" korrekt.

Altersgrenze überprüfen

Die derzeitige Altersgrenze von 18 Jahren, um eine genetische Untersuchung verlangen zu können, erscheint den "Bürgern" - vor allem bei Schwangerschaft und hoher Wahrscheinlichkeit einer schwerwiegenden Erbkrankheit - als zu hoch angesetzt. Sie empfehlen, diese Altersgrenze zu prüfen.

Die "Meinungsvielfalt durch unterschiedliche ethische Positionen zu Fragen der Genetik, wie sie durch die Ethikkommissionen repräsentiert wird", wird von der "BürgerInnenkonferenz" begrüßt.

Unterstützung von Selbsthilfegruppen

Bemühungen von gesellschaftlichen Gruppen wie Selbsthilfegruppen, die Bevölkerung über den ethischen Aspekt von Themen der Genetik zu informieren, sollten aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden. "Darüber hinaus empfehlen wir der Bundesregierung, nicht nur wissenschaftliche Positionen, sondern auch die Sichtweisen der betroffenen Menschen zu hören", heißt es in den Empfehlungen. (APA)