Es hat schon etwas Bestechendes, wenn der US-Handelsbeauftragte den "heiligen Koran" als Zeugen dafür aufruft, dass der Islam nichts gegen den freien Handel habe: geschehen beim außerordentlichen Treffen des World Economic Forum am Toten Meer in Jordanien. Er musste seine Zuhörer nicht überzeugen, die anwesenden arabischen Geschäftsleute - die natürlich nicht zu den "MikrounternehmerInnen" gehörten, die der oben erwähnte Robert Zoellick und auch US-Außenminister Colin Powell namentlich als arabische Zukunftshoffnungen zitierten - sind zum Aufbruch längst bereit. Aber noch fehlen die Voraussetzungen dafür.

Die Witzchen darüber, dass das Tote Meer so tot gar nicht ist, hatten auf dieser Konferenz eine gewisse Redundanz, ebenso wie das kleine Wort "wenn": "Wenn die Road Map für einen israelische-palästinensischen Frieden funktioniert . . .", "Wenn im Irak die Sicherheit wiederhergestellt sein wird . . ."dann werden die Geschäfte blühen, dann wird Radikalismus und Terrorismus der Boden entzogen.

Erst dann. Demokratie, Marktwirtschaft, Globalisierung, das ergibt Stabilität und macht dem Extremismus den Garaus. Im Nahen Osten kommt das der Quadratur des Kreises nahe: Man bekämpft den Radikalismus durch Demokratie und Prosperität. Demokratie wird hier aber erst möglich, wenn der Radikalismus marginalisiert ist - sonst haben wir anstelle der jetzigen eben islamistische Diktaturen.

Auch die Prosperität funktioniert offenbar nicht wie gewünscht. Die Reduktion des islamistischen Extremismus auf ein Phänomen der Armen, Unfreien und Frustrierten ist allerspätestens mit den Anschlägen vom 11. September 2001 hinfällig geworden: Osama bin Laden und die reichen Geschäftsleute aus dem Golf, die ihn finanzierten (hoffentlich ist die Vergangenheitsform angebracht), passen nicht in diese Kategorie. Und sie waren nicht nur reich - das heißt, die Welt stand ihnen offen -, sie wurden gerade von den Ängsten vor der Globalisierung angetrieben, laut USA doch Teil der Medizin gegen den Extremismus.

Für das Phänomen des Extremismus der Rich and Beautiful in den islamischen Ländern gibt es zwei Erklärungsmodelle, die sich nur scheinbar widersprechen: Die US- Politik in der Region ist schuld, die Abwesenheit von Demokratie in der Region ist schuld. Für beides kann man getrennt argumentieren, aber es gibt sogar eine Verbindung: Zur US-Politik gehörte es bis zu 9/11 auch, sich nicht in innere Angelegenheiten einzumischen, auch wenn sie noch so grauslich waren, so lange die bilateralen Beziehungen auf realpolitischem Grund stimmten (das beste Beispiel dafür war der Irak in den 80er Jahren).

Damit ist zumindest für den Moment Schluss. Ob der Politikwechsel der USA langfristig ist, kann man noch nicht sagen, aber im Moment gibt es zweifellos massiven amerikanischen Druck in der Region: Demokratisierung, Zivilgesellschaft, Öffnung, steht für diejenigen auf dem Programm, die Partner sein wollen.

Gemessen an den Aussagen der arabischen Politiker beim Gipfel sind ohnehin alle geradezu versessen darauf, da mitzutun. Wie weit es sich dabei um wahren Reformwillen aus eigener Einsicht, wie weit um Beschwichtigungsversuche der Großmacht gegenüber handelt? Der gewonnene Irakkrieg, die Drohungen gegen Syrien und den Iran sind eben ein starkes Argument.

Aber wie eingangs gesagt, die Voraussetzungen - die wichtigste davon: Sicherheit - für eine positive Entwicklung fehlen auch noch.

Darüber hinaus gibt es aber auch über das Ziel der Reise Diskrepanzen zwischen den Reisenden und jenen, die sie auf diese Reise schicken wollen, den USA. Auf die Frage, ob am Ende einer demokratischen Entwicklung der Region auch die Transformation der absoluten in konstitutionelle Monarchien stehen würde, hatte ein saudischer Prinz eine schöne Antwort parat: "Unsere Monarchie ist konstitutionell. Der Koran definiert das Verhältnis zwischen Herrscher und Beherrschten." (DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2003)