
Freude über die Einigung: Stiftungsanwalt Andreas Nödl (links) und Sammlersohn Diethard Leopold vor dem lange umkämpften Schiele-Bild " Häuser am Meer".
Als Diethard Leopold, Sohn des Stiftungsgründers Rudolf Leopold, in den Stiftungsvorstand des Museums eintrat, versprach er einen Paradigmenwechsel in Restitutionsfragen. Es sei, so der Stiftersohn, eine "moralische Verpflichtung: Es geht nicht nur um die Verschiebung finanzieller Mittel. Wie Stuart Eizenstat, US-Chefverhandler in Restitutionsfragen, gesagt hat: 'Restitution is a discussion about history.' Ich finde das einen wichtigen Aspekt."
In der Tat gelang es ihm nach einem zwölf Jahre dauernden Rechtsstreit, Schieles Bildnis Wally 2010 wieder nach Wien zu holen. Er zahlte den Erben nach Lea Bondi-Jaray, der die Nazis das Bild abgepresst hatten, eine Entschädigung von 14,8 Millionen Euro.
Auch um ein weiteres Hauptwerk aus der Leopold-Sammlung, Schieles "Häuser am Meer", wurde mehr als zehn Jahre gerungen. Das Gemälde war 1938 von den Nazis beschlagnahmt worden. Im Mai vergangenen Jahres wurde ein Teilerfolg vermeldet: Die Leopold-Stiftung hatte sich mit einer der Erbinnen nach Jenny Steiner, der vormaligen Besitzerin geeinigt und zahlte Steiners Enkelin 3,5 Millionen Euro. Die beiden anderen Erbengruppen nach Daisy Hellmann und Klara Mertens stimmten der Vereinbarung nicht zu.
Standard: Vor allem die Formulierung "fair und gerecht" lehnten die Erbengruppen und die Kultusgemeinde (IKG), die sie berät, ab. Ihr Standpunkt: Fair und gerecht wäre nur die Naturalrestitution.
Nödl: Aber das gibt der Text der Washingtoner Prinzipien nicht vor. Wir haben mit den Erben vereinbart, dass "mit der Zahlung "alle rechtlichen, wirtschaftlichen und ethisch-moralischen Ansprüche im Hinblick auf 'Häuser am Meer' endgültig und zur Gänze abgegolten, bereinigt und erfüllt sind."
Standard: Sie, Herr Leopold, haben ja auch einmal daran gedacht, "Häuser am Meer" zu verkaufen, aber der Stiftungsvorstand hat dem nicht zugestimmt.
Leopold: Ja. Aber nachdem wir mit der Enkelin von Jenny Steiner eine Einigung erzielten, haben wir die nun getroffene Lösung favorisiert. Und bei mehreren Erben wäre sowieso nur eine finanzielle Lösung möglich: Das Bild hätte verkauft und der Erlös aufgeteilt werden müssen. Ein entscheidender Aspekt war für uns immer, dass dieses wichtige Schiele-Werk nicht in privaten Wohnräumen verschwindet, sondern weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Wir versehen es mit einem, mit den Erben akkordierten, Text: Es ist - auch - ein Mahnmal der Geschichte, das wir unseren Nachkommen überliefern.
Standard: Die Verträge sind von allen unterzeichnet?
Nödl: Sie sind mit allen, technisch gesprochen, zustande gekommen. Wir haben ein Angebot bekommen und es durch fristgerechte Zahlung eines ersten Teilbetrages angenommen.
Standard: Nach der Einigung mit der Enkelin sagte der Stiftungsvorsitzende Helmut Moser, alle Erben würden gleich behandelt. Der Enkelin wurden damals dem Vernehmen nach fünf Millionen Dollar angeboten. Wurde nun mit ihr nachverhandelt, bzw. hat sie eine Nachzahlung bekommen?
Leopold: Wir erfüllen diese Gleichbehandlung.
Standard: Um welche Beträge handelt es sich?
Nödl: Darüber haben wir Stillschweigen vereinbart.
Leopold: Aber es ist, so viel kann ich schon sagen, ein sehr hoher Betrag. Wir hätten nichts dagegen, den Betrag zu veröffentlichen. Wir müssen uns dafür wirklich nicht genieren. Aber wir respektieren den Wunsch der Erbenvertreter.
Standard: Wie hat die IKG auf die Einigung reagiert?
Leopold: Das weiß ich nicht. Natürlich sind solche Vergleichsverhandlungen zielführender, je direkter man mit den Erben oder Erbengruppen in Kontakt treten kann. Es ist schwierig, wenn - wie im Falle von "Häuser am Meer" - die Vertretung zugleich Partei ist, weil sie durch Verträge, was die Aufwandsentschädigung betrifft, mitbeteiligt sind.
Standard: Die IKG berät die Erben nicht juristisch, aber wirtschaftlich.
Leopold: Und bekommt dafür eine prozentuelle Aufwandsentschädigung, weshalb sie insoweit auch als Beteiligte involviert ist.
Nödl: Aber das ist nicht Vertragsbestandteil und für uns auch nicht relevant. Ich verhandle als Rechtsanwalt, der für die Stiftung auftritt, mit Anwälten, die sich für die Erben einsetzen. Ob und wie viele Zwischenstufen die haben, bis sie zu ihren Klienten kommen, ist nicht unser Problem.
Standard: Rudolf Leopold hat sich mitunter zu, vorsichtig ausgedrückt, ziemlich unwirschen Äußerungen gegenüber der Kultusgemeinde hinreißen lassen.
Leopold: Natürlich ist von beiden Seiten, von meinem Vater und von Ariel Muzicant, in deren persönlicher Auseinandersetzung viel Porzellan zerschlagen worden. Ich bin froh, dass wir im Großen und Ganzen zu einem zivileren Ton zurückgefunden haben. Aber ich weiß, dass mein Vater diese Lösung befürwortet hätte.
Nödl: Ich kann mich an viele Abende im Hause Leopold erinnern, wo man darüber gebrütet hat, wie man - insbesondere für "Wally" oder "Häuser am Meer" - zu einer vergleichsweisen Lösung kommen könnte. Die Konstellation ist komplex: hier jene, deren Besitz entzogen wurde und die bestialisch ermordet wurden; dort einer, der seit den 1950er-Jahren gesammelt hat, immer vor Augen, dass es rechtlich in Ordnung ist. Das Bewusstsein für den moralisch-ethischen Aspekt ist, generell gesprochen, erst langsam im Zuge der Auseinandersetzung um "Adele" oder "Wally" gewachsen.
Standard: Nun verhandeln die Erben miteinander: die des Sammlers mit jenen der Nazi-Opfer. Liegt darin auch eine Erklärung für die andere Tonalität?
Leopold: Sicher macht es einen Unterschied, ob man die Sammlung unter großen persönlichen Entbehrungen aufgebaut hat. Ich gehe da sicher unbelasteter damit um. Aber als Psychotherapeut ist mir auch wichtig, dass jede Seite zu ihrem Recht kommt. Man kann nicht ein Unrecht durch ein anderes aufheben. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 15.6.2012)