Vor 20 Jahren fand der Erdgipfel in Rio de Janeiro statt, bei dem sich die Staats- und Regierungschefs auf eine ehrgeizige Agenda für eine sicherere Zukunft geeinigt hatten. Sie versuchten das Ziel eines soliden wirtschaftlichen Wachstums, das den Bedürfnissen einer wachsenden Weltbevölkerung entspricht, mit der ökologischen Notwendigkeit zu verbinden, die wertvollsten Ressourcen des Planeten - Boden, Luft und Wasser - zu schützen, und verständigten sich darauf, dass dies nur gelingen könnte, wenn wir das alte Wirtschaftsmodell aufgeben und ein neues erfinden. Sie nannten es nachhaltige Entwicklung.

Zwei Jahrzehnte später sind wir zurück in der Zukunft. Die Herausforderungen für die Menschheit sind ziemlich dieselben wie damals, nur noch größer. Das globale Wirtschaftswachstum pro Kopf belastet zusammen mit einer Weltbevölkerung, die seit letztem Jahr sieben Milliarden Menschen umfasst, die sensiblen Ökosysteme wie noch nie zuvor. Wir erkennen, dass wir nicht weiter unseren Weg zu Wohlstand mit noch mehr Konsum und auf Kosten der Umwelt verfolgen können. Aber noch immer haben wir das offensichtlich Notwendige nicht verinnerlicht: Die einzig mögliche Lösung heißt, genau wie vor 20 Jahren: nachhaltige Entwicklung.

Drei Ratschläge

Nun bietet Rio eine zweite Chance, den Knopf für einen Neustart zu drücken, um wirtschaftliche, soziale und ökologische Eckpunkte für einen Kurswechsel zugunsten von mehr Wohlstand und Wohlergehen festzulegen.

Wenn ich einen Rat als UN-Generalsekretär geben sollte, dann würde ich empfehlen, sich auf drei Pfeiler zu konzentrieren, die Rio+20 tatsächlich zu einer Konferenz der entscheidenden Weichenstellungen machen könnten.

Erstens sollte Rio+20 für ein neues Denken sorgen. Das alte Wirtschaftsmodell bricht zusammen. An vielen Orten sinkt das Wachstum. Es fehlen Jobs, die Kluft zwischen Reichen und Armen wird größer. Nahrungsmittel, Treibstoff und natürliche Ressourcen werden knapp.

In Rio werden die Teilnehmer versuchen, auf dem Erfolg der Millenniumsziele aufzubauen, die Millionen Menschen aus der Armut helfen konnten. Ein neuer Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit - Stichwort Green Economy - kann das leisten, was Ökonomen als die drei entscheidenden Faktoren sehen: Wirtschaftswachstum, das Arbeitsplätze schafft, in Verbindung mit Umweltschutz und sozialer Teilhabe.

Zweitens soll es bei Rio+20 um die Menschen gehen und um die konkrete Hoffnung auf echte Verbesserungen im täglichen Leben. Die Verhandlungsteilnehmer müssen sich entscheiden, ob sie durch ihre Beschlüsse eine Welt schaffen wollen, in der es keinen Hunger und keine unterentwickelten Kinder mehr gibt und Lebensmittel nicht mehr vergeudet werden. Dabei sollte Rio+20 vor allem jenen eine Stimme geben, die wir am seltensten hören: Frauen und junge Menschen. Frauen müssen ein gleichberechtigtes Leben führen können, sie spielen eine zentrale Rolle für wirtschaftliche Dynamik und soziale Entwicklung. Junge Menschen sind das Gesicht unserer Zukunft. Bieten wir ihnen genügend Chancen?

Drittens sollte von Rio+20 ein deutlicher Ruf zum Handeln ausgehen: Stoppt die Verschwendung. Die Erde war freundlich zu uns, die Menschen müssen deshalb die natürlichen Grenzen respektieren. Die Regierungen müssen in Rio darauf drängen, Ressourcen intelligenter zu nutzen.

Weil so viele Herausforderungen global sind, brauchen wir auch eine globale Antwort. Dies ist daher nicht die Zeit für engstirniges Gezanke. Dies ist die Zeit, in der sich die politischen Führer und ihre Völker für ein gemeinsames Ziel und eine gemeinsame Zukunft starkmachen müssen: für die Zukunft, die wir wollen. (Ban Ki-moon, DER STANDARD, 16.6.2012)