Graz – Günther Domenig grantelte gerne. Er rauchte wie ein Schlot. Er fuhr Sportwägen. Und er war seit Mitte der 1960er-Jahre einer der stilbildenden Architekten Österreichs. Bis zum Schluss ging er bei seinen Projekten immer von einer künstlerischen Idee aus: Er entwarf seine Architekturen nicht am Computer, sondern am Skizzenblock. So entstand auch sein letzter großer Solitär (2004, in Zusammenarbeit mit Hermann Eisenköck, einem hervorragenden Umsetzer von Domenigs genialen Entwürfen): das weithin sichtbare, an einen Vogel erinnernde T-Center in St. Marx von Wien.
Domenig, geboren am 6. Juli 1934 in Klagenfurt, studierte von 1953 bis 1959 in Graz Architektur. Die steirische Landeshauptstadt wurde nicht nur Wahlheimat, sondern auch Hauptwirkungsstätte. Bereits mit seinen ersten großen Projekten, der Pädagogischen Akademie (1964, gemeinsam mit Eilfried Huth) und dem Mehrzwecksaal der Schulschwestern Eggenberg (1972) in Graz erregte Domenig Aufsehen. Damals war Beton das Material der Stunde; und schon damals baute Domenig keine plumpen Kisten.
Man musste sich an Domenigs Visionen aber erst gewöhnen: Die Fassade seines Hochhauses in Leoben, das ehemalige Forschungs- und Rechenzentrum der Montanuni, (1970-1973), war aus verrosteten Metallplatten – und wurde einst von der Bevölkerung als Scheußlichkeit empfunden.
Und dann brach Domenig eine Fassade auf – beziehungsweise, er gestaltete sie als Wasserfall, er schob die Außenhaut in Bögen zusammen: Mit der Zentralsparkassenfiliale in der Favoritenstraße von Wien (1975-1979) befreite Domenig die Architektur nachhaltig aus dem Gefängnis des Rasters. Von 1980 an lehrte er an der Grazer TU Architektur; und von da an arbeitete er auch konsequent an seinem privaten Lieblingsprojekt, dem vielteiligen, verschachtelten Steinhaus in Steindorf, das, direkt am Ufer des Ossiacher Sees errichtet, über Jahre hinweg polarisierte. Mittlerweile gilt Domenigs Opus magnum aber einhellig als Meisterwerk.
Durchaus mit Stolz erfüllte Domenig, der mit Huth spektakuläre Entwürfe für Bauwerke der Olympischen Spiele 1972 in München geliefert hatte, dass er 1998 das Dokumentationszentrum am Reichsparteitagsgelände in Nürnberg gestalten durfte: Hier konnte er sich architektonisch am Nationalsozialismus abarbeiten.
Zu den großen Gebäuden, die Domenig realisierte, gehören auch das ehemalige Hauptgebäude der Z-Bank bei Wien Mitte (in das DER STANDARD mit Jahresende einziehen wird), das gut 400 Meter lange ReSoWi-Zentrum der Uni Graz (1993/96) und das Landeskrankenhaus Graz West (1998/2000).
Domenig, der nebenbei auch Bühnenbilder für Opern entwarf, starb am Freitagmittag in seiner Wohnung. Wie die Familie mitteilte, habe er den Wunsch geäußert, in seiner Heimat begraben zu werden. Am liebsten wäre ihm natürlich das Steinhaus gewesen. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 16./17.6.2012)