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Miklós Horthy war für Viktor Orbán kein Diktator

Foto: APA/Pfarrhofer

Wien - Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán will nach eigenen Worten "historische Debatten von politischen Diskussionen trennen" und sieht in Reichsverweser Miklós Horthy, der von 1920 bis 1944 an der Macht war und neuerdings geehrt wird, keinen Diktator. "Bezeichnet irgendjemand Horthy als Diktator? Nein, nein nein", fragte Orbán in einem Interview mit der "Presse am Sonntag" und fügte hinzu: "Ferenc Szálasi war ein Diktator". Der 1946 hingerichtete Pfeilkreuzlerführer wurde 1944 nach Horthys Sturz von der deutschen Besatzungsmacht als Regierungschef eingesetzt.

Zur jüngsten Errichtung von Horthy-Denkmälern sagte der Premier, dies obliege "ausschließlich lokalen Gemeinden" und wäre "nicht der Job der Regierung". Orbán: "Die Debatten über die Vergangenheit haben keine Relevanz für das gegenwärtige politische Leben Ungarns. Vor 70 Jahren wäre unsere Partei in Opposition gewesen. Den stärksten Bezug, den wir zur Vergangenheit haben, ist die Kleinlandwirtepartei, die in Opposition zu Horthy stand. In Mitteleuropa bestand nach dem Zweiten Weltkrieg eine der großen Missionen der Kommunisten darin, die Geschichte auszulöschen. Die jetzigen Diskussionen über die Vergangenheit sind eine Reaktion darauf."

"Lange, sehr komplizierte Diskussion"

Auf die Frage, ob er in seiner Gemeinde ein Horthy-Denkmal befürworten würde, antwortete Orbán: "Ich würde die Entscheidung der Wähler respektieren. Wenn sie eine Statue für Lenin, Stalin oder Hitler errichten wollten, wäre ich definitiv dagegen." Zu dem Umstand, dass ein Mann glorifiziert werde, der 1938 Gesetze zur Diskriminierung von Juden unterschrieben habe, meinte der ungarische Regierungschef: "Das ist eine lange, sehr komplizierte Diskussion. Und es ist nicht mein Job als Ministerpräsident, ein abschließendes Urteil zu fällen. Aber ich trete dafür ein, diese Debatte fortzusetzen."

Orbán bekannte sich in dem "Presse"-Interview zu einem "Europa der Nationen": "Der größte Vorteil des europäischen Kontinents ist, dass wir unterschiedlich sind. Deshalb müssen wir sehr vorsichtig sein, wenn wir Souveränitätsrechte abgeben. Die Schlüsselentscheidung ist, ob man der Eurozone beitritt. Eine Währungsunion ist ohne politische Union nicht möglich. Länder, die schon in der Zone sind, haben nicht allzu viele Optionen."

Die Kritik des Ungarn-Experten Paul Lendvai an seiner Regierung wies Orbán zurück: "Es gibt keinen einzigen politischen Punkt, in dem wir einer Meinung sind, außer vielleicht, dass wir beide für den Weltfrieden sind. (...) Lendvai ist kein Freund der jetzigen ungarischen Regierung, er mag unser Wertesystem nicht und versucht dagegen international zu kämpfen. So sieht europäische Politik heute aus."

Angesprochen auf sein erklärtes Ziel, "die Linke in Ungarn zu zertrümmern", bemerkte Orbán lediglich: "Das ist mir gelungen". (APA, 16.6.2012)