Bild nicht mehr verfügbar.

Seit der Rezeptbefreiung für die "Pille danach" gibt es laut Apothekerkammer nicht wesentlich mehr Nachfrage.

Foto: APA/MedCommunications

Es war kurz vor Weihnachten 2009, als das Gesundheitsministerium verlautbarte, dass die "Pille danach" ab sofort ohne Rezept in österreichischen Apotheken erhältlich ist. Doch selbst die bevorstehenden Feiertage konnten damals die darauffolgende Aufregung nicht verhindern: Lobten Befürworter den längst überfälligen leichteren Zugang zu einem Verhütungsmittel für Notfälle, warnten manche Gegner vor der hohen Hormondosis und Missbrauch, andere gar vor einer Zunahme von unsicherem Sexualverhalten.

Nach zweieinhalb Jahren kann gesagt werden: Nicht viel ist passiert. So lautet das erste Resümee der Österreichischen Apothekerkammer. "Wir haben gute Erfahrungen mit der Rezeptbefreiung der 'Pille danach' gemacht", informiert Christiane Körner, erste Vizepräsidentin der Österreichischen Apothekerkammer. "Es gibt seither auch nicht wesentlich mehr Nachfrage." Zahlen zur Nutzung liegen allerdings keine vor. Das Pharmaunternehmen Sanova, das das freigegebene Präparat Vikela vertreibt, will auf Anfrage keine Angaben zu Verkaufszahlen und deren Entwicklung seit der Rezeptbefreiung öffentlich machen.

Fehlende Informationskampagne

Für den Wiener Frauenarzt Christian Fiala ist zu wenig passiert: Die Rezeptbefreiung war für ihn ein wichtiger erster Schritt, doch seither wartet der medizinische Leiter der Gynmed-Ambulatorien für Schwangerschaftsabbrüche und Familienplanung in Wien und Salzburg auf weitere Taten: "Die zu geringe Anwendung ist sicher Ergebnis einer fehlenden Informationskampagne", sagt Fiala: Die Menschen müssten nicht nur wissen, wo man die "Pille danach" im Notfall kaufen kann, sie müssten sie sofort verfügbar haben, wenn ein Unfall passiert, besonders jene, die mit weniger sicheren Methoden wie dem Kondom verhüten. "Die 'Pille danach' ist wie der Verbandskasten beim Autofahren, es ist die Unfallerstversorgung. Sie muss daher dort sein, wo Sexualität und damit Unfälle stattfinden, in der Haus- und Reiseapotheke", mahnt Fiala.

Die "Pille danach" auf Reserve zu bekommen ist tatsächlich schwierig, wie eine Anfrage bei verschiedenen Wiener Apotheken gezeigt hat. Apotheker lehnten ab und verwiesen darauf, dass die Zeit, um nach ungeschütztem Verkehr in eine Apotheke zu gehen, gegeben sei. In den ersten zwölf Stunden wirkt die "Pille danach" am besten, um eine Schwangerschaft zu verhindern. Christiane Körner von der Apothekerkammer erklärt hierzu: "Die 'Pille danach' ist eben kein eigentliches Verhütungsmittel, sondern ein Notfallmedikament. Es ist kein Zuckerl, sondern ein ordentliches Hormonpräparat." So geben Apotheker Kunden zwar kein Exemplar dieses Medikaments auf Reserve mit, dafür klären sie auf, was bei der Verwendung zu beachten ist.

Eine breite Info-Kampagne, wie Fiala fordert, hat es bisher aber nicht gegeben und ist auch nicht geplant, wie das Gesundheitsministerium erklärt. Fachgruppen seien aber informiert worden. Es gebe auch eine Facebook-Seite, die über das Notfallverhütungsmittel aufklärt.

Persönliches Gespräch bevorzugt

Gerhard Hochmaier hätte lieber das persönliche Gespräch. Der Obmann der Bundesfachgruppe Frauenheilkunde und Gynäkologie in der Österreichischen Ärztekammer war damals, Ende 2009, gegen die Rezeptbefreiung. Er ist "nach wie vor nicht glücklich damit", wie er betont. "Ich sehe es kritisch, weil die Beratung und das Gespräch über die ganze Situation und die Möglichkeiten weiterer Verhütung in vielen Fällen zu kurz kommen", bekräftigt der Tullner Frauenarzt seine Argumente. Junge Menschen würden in kritischen Situationen alleine gelassen. Seiner Erfahrung nach sind "klassische Anwenderinnen die 14- und 15-jährigen Mädchen". Zum Frauenarzt würden viele, die die "Pille danach" genommen haben, ohnehin gehen. Früher eben zur Verschreibung, nun nach Einnahme, weil Fragen offen blieben, wie es nun weitergehe, fühlt sich Hochmaier in seiner Kritik bestätigt.

Das Grazer Frauengesundheitszentrum befürwortet die Rezeptbefreiung, sieht aber ebenso Informationsbedarf bei jungen Frauen, Erwachsene würden sich aber sehr gut auskennen: Manche Mädchen würden die "Pille danach" mit einer "Abtreibungspille" verwechseln. "Aus diesem Grund ist eine umfassende Aufklärung an Schulen besonders wichtig", so Felice Gallé vom Frauengesundheitszentrum.

Wirksame Prävention

Nach zweieinhalb Jahren rezeptfreie "Pille danach" bleiben einige Fragen offen: Wie hat sich etwa die Rezeptbefreiung auf das Sexual- und Verhütungsverhalten der Frauen hierzulande ausgewirkt? Eine wissenschaftliche Evaluierung wird laut Gesundheitsministerium nicht erfolgen. Aus Studien in anderen Ländern ist aber bekannt, dass die Frauen durch diese Maßnahme nicht unvorsichtiger werden. Gerade das wurde von Vertretern der katholischen Kirche behauptet, die massiv gegen die Rezeptbefreiung aufgetreten sind. Allerdings sinkt auch nicht die Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen. 

So einfach funktioniert das auch nicht, wie Christian Fiala erklärt: "Aufgrund der noch enttäuschend geringen Anwendung kann noch keine Auswirkung auf Abbruchzahlen erwartet werden. Wir wissen von Studien aus anderen Ländern, dass die Rezeptbefreiung nur ein Kriterium ist, das die Anwendung der 'Pille danach' erleichtert. Man muss natürlich schauen, dass jene Frauen, die ein Risiko für Unfälle haben, diese auch tatsächlich anwenden", sagt Fiala. Zudem müssten überhaupt Verhütungsmittel, vor allem für Jugendliche und sozial Schwache, von der Krankenkasse bezahlt werden, um wirksame Prävention zu betreiben, fordert er. (Regine Bogensberger, derStandard.at, 20.6.2012)