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David Nalbandian verlor die Kontrolle auf dem Platz.

Foto: AP/Tan

London/Frankfurt - Die feine britische Gesellschaft war not amused, als ein argentinischer Tennis-Rüpel die Tea Time auf so ungeheuerliche Weise störte. Auf dem Balkon der Royal Box im feudalen Londoner Queen's Club trauten sie ihren Augen nicht angesichts eines Skandals, der nun sogar Scotland Yard auf den Plan gerufen hat.

Hauptdarsteller in der nachmittäglichen Doku-Soap auf feinstem englischen Rasen war David Nalbandian. Der stets leicht verträumt wirkende Argentinier mit dem Silberblick hatte im Finale der Wimbledon-Generalprobe gegen Marin Cilic (Kroatien) kurzerhand die Nerven verloren. Beim Stand von 7:6, 3:4 trat er voller Wut gegen die Werbebande am Stuhl von Linienrichter Andrew McDougall, der dadurch eine nicht unerhebliche Verletzung am Schienbein erlitt. Mit hochgezogenem Hosenbein zeigte McDougall die blutende Schnittwunde und humpelte dann in die Katakomben. Scotland Yard bestätigte am Montag, dass eine Anzeige wegen Körperverletzung vorliegt. "Es wird Untersuchungen geben", teilte die Polizei in London mit.

Nalbandian wurde nach seinem Austraster wegen unsportlichen Verhaltens disqualifiziert und muss nach dem "Tritt der Schande", wie es das englische Boulevardblatt The Sun gewohnt martialisch formulierte, eine achtwöchige Sperre befürchten. Schließlich ist der Wimbledon-Finalist von 2002 ein Wiederholungstäter.

Aktenkundig

Im Januar bei den Australian Open musste der 30-Jährige 8000 Dollar Geldstrafe zahlen, nachdem er bei seinem Zweitrunden-Aus gegen John Isner (USA) einen Offiziellen mit Wasser bespritzt hatte. Bereits als Nachwuchsspieler war Nalbandian auf noblem englischen Grün disqualifiziert worden: Zum Halbfinale des Wimbledon-Juniorenturniers 1999 kam er zu spät - und durfte gleich wieder gehen.

Diesmal war es dem Mann aus Cordoba ein echtes Anliegen, schon auf dem Court Reue zu zeigen. "Ich hatte niemals vor, ihn zu treffen. Es war eine unglückliche Reaktion, ich wollte nur den Frust nach einem verlorenen Punkt rauslassen. Manchmal kann man sich eben nicht kontrollieren", erklärte Nalbandian, der nicht nur auf sein Preisgeld (44.945 Euro) und 150 Weltranglisten-Punkte verzichten, sondern wohl auch noch 10.000 Euro Strafe zahlen muss.

Obwohl Nalbandian Reue zeigte, nutzte er die Plattform und gab der Spielervereinigung ATP eine Mitschuld an seinem Ausraster. "Jeder macht Fehler, die ATP hat auch Fehler gemacht, aber nichts passiert. Teilweise fühlen wir Spieler uns sehr unter Druck gesetzt", sagte der Argentinier. Nalbandian war unter anderem nicht damit einverstanden gewesen, dass die Turnierleitung im Queen's Club auf dem durch den Regen feuchten Rasen spielen ließ.

Dass die Unparteiischen im Tennis gefährlich leben, ist nicht erst seit Sonntag bekannt. 1995 kassierte Stuhlschiedsrichter Bruno Rebeuh in Wimbledon zwei Ohrfeigen von der Ehefrau des US-Spielers Jeff Tarango. Dieser hatte zuvor wegen angeblicher Fehlentscheidungen Rebeuhs in Tarangos Spiel gegen Alexander Mronz kommentarlos den Platz verlassen.

Die Damen können auf der nach unten offenen Skala des schlechten Benehmens ohnehin ganz gut mithalten. 2009 bedrohte Serena Williams im Halbfinale der US Open eine Linienrichterin, die ihr einen Fußfehler angekreidet hatte, mit den Worten: "Wenn ich könnte, würde ich dir den Ball in deine Kehle stopfen." Die so Beschimpfte wollte sogar noch etwas ganz anderes gehört haben. Demnach soll Williams gesagt haben: "Ich bring dich um." (sid, 18.6.2012)