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Wenn Geld gedruckt wird, sollte der dabei entstehende Gewinn vollständig dem Staat zufließen, sagt Huber, das würde die Schuldenrkrise lösen.

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Joseph Huber würde die Zentralbank zur monetativen vierten Staatsgewalt machen.

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Um die Schuldenkrise zu lösen, sollen die Banken aufhören, Geld aus dem Nichts zu schaffen, und die Zentralbank solle wieder die volle Kontrolle erlangen. Das Guthaben auf Girokonten sollte durch sogenanntes Vollgeld ersetzt werden, das vollständig gedeckt ist. Außerdem sollte der Gewinn aus der Geldschöpfung wieder komplett dem Staat zufließen, sagt der Wirtschaftssoziologe Joseph Huber im Gespräch mit derStandard.at.

derStandard.at: Sie sagen, dass Geld aus dem Nichts geschaffen wird. Wie muss man sich das vorstellen?

Huber: Das Geld entsteht tatsächlich durch Bucheintrag. Wenn die Zentralbank der Bank Geld ausstellt oder die Bank einem Kunden Geld ausstellt, dann erfolgt in den Büchern auf der Aktivseite eine Kreditforderung an denjenigen der das Geld entgegen nimmt. Und auf der Passivseite der Bilanz wird das Geld als Buchgeld in unbarer Form zur Verfügung gestellt. Das sehen wir dann als Gutschrift auf unserem Girokonto und damit ist der ganze Akt vollzogen. Der Buchungssatz lautet einfach Kreditkonto an Kundenkonto.

derStandard.at: Warum ist das schlecht?

Huber: Das Problematische daran ist nicht, dass dieses Geld aus dem Nichts geschöpft wird. Die Deckung liegt in den laufend erzeugten und verkauften Wirtschaftsprodukten, also in der Kaufkraft. Deswegen ist es aber wichtig, dass es eine Instanz gibt, die steuern kann, wie viel Geld aus dem Nichts in die Bücher geschrieben wird. Und das ist das Problem: Es wird zu viel Geld geschaffen in der Form von Giralgeld der Banken. Damit entsteht zum Teil Verbraucherpreisinflation, vor allem aber Assetinflation, das heißt die überschießenden Geldmengen fließen in die Kreditfinanzierung von Finanzmarktspekulation und unhaltbar hohen Staatsschulden.

derStandard.at: Wenn jemand also Geld am Konto hat, dann ist das gar nicht gedeckt?

Huber: Nicht durch gesetzliche Zahlungsmittel in Form von Zentralbankgeld. Wenn Sie Geld am Girokonto haben, dann stehen in der Bankbilanz als Deckung etwa zehn Prozent Zentralbankgeld in Form von Bargeld und in Form von sogenannten Reserven bei der Zentralbank. Deswegen nennt man das auch fraktionales Reservesystem oder multiple Geldschöpfung, weil nur ein Bruchteil unserer Giroguthaben durch Zentralbankgeld gedeckt ist. In den Ländern der Eurozone, insbesondere auch in Österreich oder Deutschland, sind heute noch knapp 20 Prozent der umlaufenden Geldmenge Bargeld, 80 Prozent sind Giralgeld, Tendenz weiter zunehmend.

derStandard.at: Wann wird das zu viel?

Huber: Der Zeitpunkt ist dann erreicht, wenn entweder die Inflation inakzeptable Ausmaße annimmt oder Blasen platzen. Es platzt seit drei Jahren die Mega-Blase, das ist die Staatsschuldenblase. Denn den Staatschulden stehen natürlich Anleihevermögen gegenüber und die sind alle durch Giralgeld bezahlt worden. Die Banken haben jahrzehntelang dem Staat bedenkenlos jede Menge Geld gedruckt, das die Politiker haben wollten. Um jetzt die Banken zu retten, mussten die Staaten sich schubhaft zusätzlich verschulden und da kippte das Ganze um. Die Finanzmärkte, speziell die Ratingagenturen und Banken, waren von heute auf morgen der Meinung, das Ende der Fahnenstange sei jetzt erreicht und so wurden aus konvergenten Zinsen auf Staatsanleihen in der Eurozone wild divergierende Zinsen, und die besonders bedrohten Staaten haben nun Probleme, überhaupt noch Geld aufzunehmen.

derStandard.at: Wer hat die Geldschöpfung in Europa in der Hand?

Huber: Verbreitet ist die Lehrbuchmeinung, wir hätten ein zweistufiges Bankensystem, in dem zunächst die Zentralbank das Geld per Kredit an die Banken herausgibt, und die Banken es dann ans Publikum weitergeben. In Wirklichkeit funktioniert das anders: Die Banken schöpfen Giralgeld so viel sie wollen, sofern das ihren Geschäftsinteressen entspricht. Wenn dafür das Geld am Interbankenmarkt nicht mehr reicht, dann gehen sie zur Zentralbank und lassen sich refinanzieren. Es ist nicht bekannt, dass die Zentralbank jemals den Banken verweigert hätte, nachgefragtes Geld auch herauszurücken, ganz egal wofür sie es nachher benutzen. Wir haben also ein Giralgeldregime der Banken, das von der Zentralbank bereitwillig bedient wird.

derStandard.at: Wer gewinnt an diesem Kreislauf?

Huber: Der Geldschöpfungsgewinn aus dem geringen Anteil an Bargeld und Reserven entsteht vor allem als Zentralbankgewinn und fließt in die öffentlichen Kassen. Aber der Löwenanteil, den realisieren die Banken. Schon alleine aus staatsrechtlichen Gründen ist das nicht einzusehen, denn das Geld in offizieller Währung wird letztlich immer vom Staat garantiert, auch das Giralgeld der Banken, obwohl dieses kein gesetzliches Zahlungsmittel ist, aber trotzdem so benutzt wird. Wenn also ein Geldschöpfungsgewinn entsteht, die sogenannte Seigniorage, dann sollte diese den öffentlichen Kassen zustehen. Das Geldregal - das Vorrecht Geld zu schöpfen und den Schöpfungsgewinn einzustreichen - ist ein Hoheitsrecht von Verfassungsrang, vergleichbar dem Steuermonopol oder Gewaltmonopol. Die Banken haben es faktisch usurpiert. Das hat sich so entwickelt aufgrund der Verbreitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs im zurückliegenden Jahrhundert.

derStandard.at: Sollten alle Menschen also nur noch mit Bargeld bezahlen?

Huber: Das wäre nicht wünschenswert. Bargeldwirtschaft, jenseits der kleinen Umsätze, die wir damit noch erledigen, ist viel zu unpraktisch und kostenintensiv. Der bargeldlose Zahlungsverkehr ist vergleichsweise bequem, schnell und kostengünstig. Entscheidend ist aber, wer die Kontrolle über das unbare Geld hat.

derStandard.at: Was würden Sie dann vorschlagen?

Huber: Eine Möglichkeit ist der Übergang von Giralgeld zu Vollgeld. Vollgeld ist die Kurzform für "vollwertiges gesetzliches Zahlungsmittel". Es geht darum, die heutigen Giroguthaben ebenfalls in Zentralbankgeld umzuwandeln, in sozusagen echtes Geld, was sie ja nicht sind. Giroguthaben sind nur ein Versprechen auf Geld, das bei einem Bankenzusammenbruch nichts mehr wert ist. Die Einlagensicherungsfonds mögen den Bankrott einer einzelnen Bank stemmen, aber nicht einen Systemzusammenbruch wie er nun schon im fünften Jahr als Damoklesschwert über uns schwebt.

Die Zentralbank dagegen, das erleben wir aktuell ja von seiner unerwünschten Seite, kann jederzeit Liquidität erzeugen, denn sie hat die eigentliche Währungs- und Geldhoheit. Also sollte sie die umlaufende Geldmenge auch uneingeschränkt kontrollieren und die damit verbundene Seigniorage ungeschmälert dem öffentlichen Haushalt zuführen. Für die Banken bedeutet eine Vollgeldreform, dass sie ihre Geschäfte im gesetzlichen Rahmen weiter frei betreiben können, nur können sie nicht mehr das Geld, das sie dafür benötigen, überwiegend auch noch selbst herstellen. Stattdessen müssen sie ihre Kredit- und Finanzgeschäfte vollständig finanziert haben, eben in Vollgeld der Zentralbank.

derStandard.at: Wie müsste das aussehen?

Huber: Die Zentralbank muss dem Gesetz verpflichtet sein, aber unabhängig von Weisungen des Parlaments, der Regierung und den Eigeninteressen der Banken und Finanzmärkte. Sie muss eine sogenannte diskretionäre und potenzialorientierte Geldpolitik betreiben, also die Geldmenge gemäß dem Wachstumspotenzial der Wirtschaft steuern. Die Zentralbank wird damit aufgestuft zu einer vierten Staatsgewalt, zur "Monetative" wenn man so will, in Ergänzung der Legislative, Exekutive und Judikative.

Mit der Seigniorage aus der laufenden Geldschöpfung würden sich, je nach Land und Wirtschaftsentwicklung, ein bis sechs Prozent der Staatsausgaben finanzieren lassen. Das sind enorme Summen, die es erheblich erleichtern würden, endlich mit den Haushaltsdefiziten Schluss zu machen. Für den großen Rest freilich muss eine Staatsfinanzierung über Steuern und Abgaben gewährleistet sein. Vollgeld macht fiskalische Disziplin keinesfalls entbehrlich, erleichtert sie jedoch.

derStandard.at: Kommt man damit aus der Schuldenkrise heraus?

Huber: Ja. Ein Übergang zu Vollgeld würde das Staatsschuldenproblem sofort entschärfen bis auflösen, und zwar erstens durch die eben schon erwähnte laufende Seigniorage in Höhe von ein bis sechs Prozent der Staatshaushalte, und zweitens, und das wäre hier das entscheidende, durch die Übergangseigniorage, die sich einmalig in großer Höhe ergibt. Es muss ja das bisher vorhandene Giralgeld nach und nach ausgeschleust und in mindestens gleicher Höhe durch Vollgeld ersetzt werden, damit die Geldmenge nicht schrumpft.

Zum größeren Teil würde sich das in einem Zeitraum von zwei vier Jahren vollziehen, nach Maßgabe der Tilgung offener Kredite. Mit den großen Summen, um die es sich hierbei handelt, könnte man bis über die Hälfte der gesamten Staatsschulden in der Eurozone abbauen, ohne Aktivaverluste für Banken und Fonds, und ohne unsoziale und kontraproduktive Austerität. Das Thema Staatsschulden wäre gleichsam über Nacht vom Tisch. Warum die Politik diese Option nicht wahrhaben will, ist mir unverständlich. Vielleicht sind zu viele Regierungsberater Bankenlobbyisten. (Clemens Triltsch, derStandard.at, 21.6.2012)