Wien - Als erster Zeuge im parlamentarischen Korruptions-U-Ausschuss hat am Dienstag der frühere Behördenfunk-Verantwortliche im Kabinett des Innenministeriums, Wolfgang Gattringer, zur umstrittenen Behördenfunk-Neuvergabe unter Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) Stellung genommen. Schmiergeldvorwürfe wies Gattringer entschieden zurück, von Zahlungen von Motorola an einen ungarischen Berater, die Firma des Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly, habe er damals nichts gewusst. Dass der siegreiche Anbieter Motorola eine Jagd in Schottland bezahlt hatte, an der auch Gattringer teilnahm, habe er nicht gewusst, so der frühere Beamte.
Mensdorff lud zur Jagd
Zur Jagd in Schottland sei er von Mensdorff-Pouilly eingeladen worden, betonte Gattringer. Trotz eingehender Befragung und Vorlage einer Namensliste konnte sich Gattringer an seine Mit-Jäger in Schottland nicht erinnern und nannte keinen einzigen Namen, auch das genaue Datum war ihm entfallen. Auf die Frage, warum er sich überhaupt auf eine schottische Jagd inklusive Flug einladen ließ, meinte Gattringer, er sei ja von Mensdorff-Pouilly und nicht von Motorola eingeladen worden. Der Grüne Peter Pilz zweifelte daran, denn bei dieser Einladung sei allen klar gewesen, wer einlade und wer bezahle: "Sie waren Motorola 1.750 Pfund (2.171 Euro) wert beim Jagdausflug in Schottland - wenn sie geschossen haben", so der Grüne.
Rolle Ulmers unklar
Seinen eigenen Wechsel vom BMI zu Alcatel, mit Motorola Gewinner der umstrittenen Neuvergabe des Behördenfunks, verteidigte er: "Es ist ganz normal dass man von den Partnern Angebote bekommt, die gesehen haben wie man arbeitet". In der Befragung durch den FPÖ-Abgeordneten Walter Rosenkranz wies Gattringer "Unterstellungen" als "nicht fair" zurück: er sei im BMI für IKT zuständig gewesen und müsse doch seine dort erworbenen Kompetenzen nutzen dürfen.
"Politisch sauber"
Dass Strassers Kabinettschef Christoph Ulmer einige Tage nach seiner Karenzierung vom Ministerium Ende Mai 2004 einen Werkvertrag erhielt, sei der Wunsch Strassers gewesen, sagte Gattringer. Er selber hatte diesen Werkvertrag abgeschlossen. Ulmer habe "strategische Beratung in Technologieprojekten mit dem Schwerpunkt Behördenfunk" geleistet. Pilz wunderte sich, Ulmer sei im Kabinett doch gar nicht mit dem Projekt befasst gewesen. Laut dem Rechnungshof habe Ulmer lediglich Kontakt zur politischen Führung gehabt und nicht mit dem Projekt, so Pilz: Was sei also Ulmers Aufgabe gewesen? Ulmer habe auf der politisch-strategischen Ebene gearbeitet, damit das Projekt "politisch sauber über die Bühne geht", sagte Gattringer.
Ulmer reiste nach London
Kurz vor dem Zuschlag durch das BMI an Motorola führte Ulmer mit Vertretern von Motorola und einer weiteren Firma Gespräche in London. Dass es über Ulmers London-Reise zwar eine Spesenabrechnung gebe, die das BMI bezahlt habe, aber keine Dokumentation der Inhalte im BMI auffindbar seien, wundert Gattringer nicht: Ulmers Mandat sei eine "ehrenamtliche strategische Beratung" gewesen. "Mir ist nicht die Idee gekommen, dass man ehrenamtliche Beratung mit Dokumenten absichern muss", empörte sich der frühere Beamte.
Gattringer war mit Ulmer in Chicago
Gattringer war außerdem mit Ulmer mehrmals in Chicago, dem Sitz des Konzerns Motorola, der mit Alcatel und der Telekom Austria den Auftrag für die Schaffung eines Behörden-Digitalfunks erhielt. "Es ist entscheidend, mit Entscheidungsträgern vor Ort in direktem Kontakt zu sein", betonte er. In Chicago habe man alle relevanten Personen im US-Konzern getroffen.
Externe Berater hinzugezogen
Rund um den Behördenfunk hatte das Innenministerium mehrere Verträge an externe Berater vergeben. Gattringer selber soll Ernest Gabmann als technischen Berater vorgeschlagen haben - woran er sich heute nicht mehr erinnern konnte, was er aber auch nicht in Zweifel zog. Das Innenministerium habe "externe Unterstützung" benötigt und unterschiedliche Berater ohne Vertragsverhältnis zu den Bietern gesucht. Er habe Ernest Gabmann junior (Sohn des gleichnamigen ehemaligen niederösterreichischen Finanzlandesrats, Anm.) gekannt und diesen daher wohl vorgeschlagen, sagte Gattringer.
126.00 Euro für BMI-Abteilungsleiter
An den damaligen BMI-Abteilungsleiter Peter Skorsch war ein Werkvertrag vergeben worden, parallel zu seiner Tätigkeit im Ministerium, so FPÖ-Fraktionsführer Walter Rosenkranz. Skorsch habe insgesamt 126.165 Euro erhalten, was auch der Rechnungshof kritisiert habe. Gattringer meinte, er habe den Vertrag mit Skorsch nicht abgeschlossen, aber davon gewusst.
Grasser hat persönlich verhandelt
Kritik an der Vertragsaufkündigung mit dem ersten Konsortium Mastertalk und an der Neuvergabe wies Gattringer zurück. Das Mastertalk-Konsortium habe kein funktionstüchtiges zuverlässiges Funknetz liefern können, wegen Mängeln beim Projektmanagement und beim Netzausbau sei das Schlichtungsverfahren gescheitert. Die Kosten für den Vergleich mit Mastertalk in Höhe von 29,9 Millionen Euro seien immerhin niedriger gewesen als die geschätzten Kosten. Mastertalk selber habe 181 Millionen Euro gefordert. Der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser habe persönlich die Vergleichssumme mit Mastertalk verhandelt. "Es ist für die Republik billiger geworden, das kann nicht schlecht sein", meinte Gattringer.
Pendl platzte fast der Kragen
SPÖ-Fraktionsführer Otto Pendl platzte fast der Kragen: "Horrorsummen des Steuerzahlers" habe das Innenministerium ausgegeben, obwohl das Behördenfunknetz noch immer nicht funktioniere. Das Netz sei zwar nicht flächendeckend, räumte Gattringer ein, "aber wo es gebaut wurde funktioniert es". Ein Netz gebe es erst in drei Bundesländern, in sechs überhaupt nicht, "das kann man nicht schönreden", meinte Pendl. Das Innenministerium hätte zuerst alle Bundesländer und die Blaulichtorganisationen ins Boot holen müssen. Das Land Tirol habe damals mit einem Alleingang gedroht, deswegen habe man das Projekt ausgeschrieben, meinte Gattringer. "Das ist eine Frage des Föderalismus".
Gefragt zu den Gratis-Handys von Motorola an ausgewählte Mitarbeiter im Innenministerium konnte sich Gattringer nicht mehr erinnern, ob er ein solches Handy bekommen habe oder nicht. "Das hat für mich keine Relevanz, ein Handy ist bestens geeignet einen zu versklaven", meinte er. "Halten Sie es für vereinbar, dass Sie als Beamter Geschenke von einer Firma Motorola annehmen, die sich um einen Auftrag für den Behördenfunk bemüht?" wollte BZÖ-Abgeordneter Stefan Petzner wissen. "Sie bringen die Zeitleisten durcheinander, damals war keine heiße Phase", konterte Gattringer. Motorola sei nämlich zuvor Partner des Ministeriums für 25 Jahre geworden. "Ich sehe die Relevanz nicht", zeigte der ehemalige Mitarbeiter in Strassers Kabinett kein Verständnis für Petzners Frage.
Kreutner war "Schnupperjagen"
Der frühere Leiter des Bundesamts für Interne Angelegenheiten (BIA), Martin Kreutner hat in seiner Aussage bestätigt, dass er einmal beim Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly im Burgenland zur Jagd war. Die Einladung zum "Schnupperjagen" sei von Christoph Ulmer, gekommen. "Wie ich dann gesehen habe, in welche Richtung das geht, habe ich alle weiteren Einladungen abgelehnt."
"Zu politiknah"
Kreutner sagte, er sei ursprünglich von einer persönlichen Einladung Ulmers ausgegangen, den er seit gemeinsamer Bundesheerzeit und dem Studium in Innsbruck kenne. "Ich war so naiv zu glauben, dass es eine private Einladung ist", sagte Kreutner. Die Jagd sei ihm aber in eine "zu politiknahe Richtung" gegangen. Er habe dort keine Gespräche zum Thema Behördenfunk geführt. Mensdorff-Pouilly habe er dort kennengelernt, sonst kenne er ihn nicht. Dass die Jagd offensichtlich "fremdfinanziert" war, habe er jetzt aus Zeitungen entnommen, so der ehemalige BIA-Chef.
Das BIA hat mehrmals Vorfälle rund um den Behördenfunk untersucht. Als der Siemens-Manager Franz Geiger sich im Innenministerium beschwerte, dass der BMI-Beamte Peter Skorsch möglicherweise über einen Mittelsmann mit Motorola in Verbindung stehe und die Gespräche mit dem Mastertalk-Konsortium verzögere, hatte Ulmer einen Aktenvermerk angelegt. Schon eine Woche später wurde Geiger von BIA-Mitarbeitern befragt. Bei den Ermittlungen sei nichts strafrechtlich Relevantes gefunden worden, und jenseits des Strafrechts, etwa in Beschaffungs- oder Vergabefragen, habe das BIA kein Mandat, betonte Kreutner.
"Ich sehe zwei widersprechende Vorwürfe im Raum, einerseits zu wenig und einerseits zu viel gemacht zu haben", meinte Kreutner. Das BIA habe sicher nicht auf Anweisung von Ulmer gehandelt. Überhaupt habe sich das Amt in der Behördenfunk-Causa nicht instrumentalisieren lassen wollen. Für einen strafrechtlichen Verdacht sei kein substantiierter Beweis vorgelegen.
Kreutner nutzte die Gelegenheit, um vom BZÖ-Abgeordneten Petzner erhobene Vorwürfe zurückzuweisen: Das BIA bzw. er seien nicht gegen unliebsame Beamte vorgegangen. Es gebe auch OGH- und OLG-Entscheidungen, dass diese Äußerungen unwahr, ehrenbeleidigend und kreditschädigend und zu unterlassen seien. Petzner sei als Abgeordneter allerdings immun.
Schussek: Leistungen erbracht
Am Dienstag wurde auch Michael Schussek befragt. Er war Geschäftsführer der Beraterfirma Austroconsult, welche die Adonis-Vergabe durchführte. Thema war vor allem ein von Austroconsult angebotenes "Weißbuch" inklusive Lobbyingkatalog, um den Digitalfunk schmackhaft zu machen. Man habe Lobbyingmaßnahmen wie Gespräche mit Landesregierungen und Vertretern der Blaulichtdienste geführt, versicherte Schussek darauf angesprochen, dass angeblich kein Lobbyingkatalog erstellt wurde. Austroconsult habe die Leistungen wie ausgemacht erbracht.
Von Vertragsauflösung mit Mastertalk "überrascht"
Hauptverantwortlich für das Scheitern des Projekts Adonis ist aus Schusseks Sicht das Konsortium Mastertalk: Dieses habe das Projektvolumen unterschätzt und zu wenig Ressourcen zur Verfügung gehabt. Austroconsult habe das auch in Berichten aufgezeigt. Von der Vertragsauflösung mit dem Mastertalk-Konsortium sei er "überrascht" gewesen, sagte Schussek. Es habe keinen zwingenden Grund gegeben, den Vertrag aufzulösen. Die technischen Problem hätte man lösen können.
Nichts wirklich Aufregendes ergab zuvor die Befragung von Elisabeth Sleha, ehemalige Leiterin der für Funk zuständigen Abteilung im Innenministerium. Externe Experten seien notwendig gewesen, weil es sich um ein kompliziertes und vielschichtiges Projekt gehandelt habe, das ohne externe Beratung nicht bewältigt hätte werden können. Die Leistungen von Austroconsult habe man positiv beurteilt. (APA, 19.6.2012)