Es beginnt mit rötlichen Hautveränderungen im Gesicht. Sie verursachen keine spürbaren Schmerzen, und alle jene, die nicht besonders eitel sind, ignorieren sie. Im 19. Jahrhundert verglichen Ärzte das zunächst unbekannte Erscheinungsbild mit Wolfsbissen. Selbst heute wird der sogenannte Lupus erythematodes oftmals lang nicht erkannt. Zur Erklärung: "Lupus" steht für Wolf und "erythematodes für "Röte". Es ist der klingende Name für eine Autoimmunerkrankung, die auch andere Organe betreffen kann.
"Meistens sind es die störenden Hautveränderungen, die Patienten zum Arzt und in der Folge zur Diagnosestellung führen", sagt Rainer Hügel von der dermatologischen Abteilung des Landeskrankhauses Feldkirch. Erhärtet sich die Diagnose, heißt das, dass chronisch entzündliche Veränderungen an Gefäßen und am Bindegewebe der Haut, dem Stützgewebe innerer Organe, unter Umständen bereits eingetreten sein können. Die Krankheit zählt zu den sogenannten Kollagenosen, einer krankhaften Veränderung des Bindegewebes.
Unter die Haut
Lupus erythematodes hat unterschiedliche Verlaufsformen, doch die markant sichtbaren Hautveränderungen sind oft die einzige Manifestation. Mediziner unterscheiden zwei Hauptformen, wobei sich der kutane Lupus erythematodes auf die Haut allein beschränkt. Typischerweise finden sich bei dessen häufigster Variante (diskoider Lupus erythematodes) kreisförmige rötliche, schuppende und häufig dunkel umrandete Läsionen im Bereich sonnenlichtexponierter Areale des Körpers (Gesicht, Rücken, Dekolleté). Vernarbungen entwickeln sich im weiteren Krankheitsverlauf.
Der systemische Lupus erythematodes (SLE) kann dagegen in nahezu allen Organen auftreten. "Im Gesicht kann sich der SLE dann in Form des typischen Schmetterlingserythems manifestieren - eine seitensymmetrische, flache, helle Rötung im Nasen-Wangen-Bereich", so Hügel. Eine krankhafte Beteiligung der Nieren, die bei etwa 50 Prozent der Betroffenen auftritt, wird als Lupus nephritis bezeichnet. Weiters können Herz, Lunge, Leber, Gehirn und selten der Magen-Darm-Trakt betroffen sein. Kaum ein SLE-Kranker leidet jemals unter allen Symptomen, doch 90 Prozent haben Gelenksschmerzen.
In Europa liegt die geschätzte Neuerkrankungsrate des systemischen Lupus erythematodes zwischen ein und 25 Personen ppo 100.000 Einwohner jährlich. Es wird geschätzt, dass der kutane Lupus erythematodes etwa zehnfach häufiger auftritt.
Die deutlich erhöhte Erkrankungsrate bei Frauen hat in der Vergangenheit zur Annahme geführt, dass das weibliche Sexualhormon Östrogen bei der Entstehung beteiligt sein könnte. Für die Aufrechterhaltung der Erkrankung sind bestimmte Abwehrzellen, die sogenannten B-Zellen, die jene Antikörper produzieren, die sich wiederum an die von ihnen als fremd angesehenen (körpereigenen) Zellbestandteile binden, verantwortlich. Unbestritten ist die Tatsache, dass Sonnenlicht Hautläsionen hervorrufen kann. UV-Strahlung führt zu einer Freisetzung von Entzündungsstoffen sowohl in Ober- als auch Lederhaut. "Diesen Effekt machen sich Mediziner sogar zunutze, denn spezielle UV-Lichtprovokationen können in der Diagnosestellung weiterhelfen", so Hügel.
Therapieoptionen
Die Wahl der Therapieform hängt von der Ausprägung des Krankheitsbildes ab. "Entscheidend ist, dass die Komplexität der Erkrankung sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit unter Dermatologen, Rheumatologen, Nephrologen, Kardiologen und Neurologen miteinbezieht", sagt Hügel. Beim kutanen Lupus stellt neben der Behandlung akut entzündeter Haut mit kortisonhaltigen Cremen die Vorbeugung der Entstehung neuer Hautveränderungen ein wichtiges Ziel in der Lokaltherapie dar.
Wichtig sind Sonnenschutzcremes mit hohen UVA- und UVB-Lichtschutzfiltern. Bei ausgeprägtem Befall kommt das Antimalariamittel Chloroquin zum Einsatz. Milde Formen eines systemischen Lupus mit Gelenksbeschwerden werden ebenfalls mit Antimalariamitteln und Antirheumatika behandelt. Sind weitere Organe betroffen, setzen Ärzte Kortison sowie stärkere Immunsuppressiva und auch Zytostatika ein.
Große Hoffnung wurde in den vergangenen Jahren in jene Medikamente gesetzt, die gezielt die Antikörper produzierenden B-Zellen angreifen. Die Studienergebnisse der meisten Substanzen erwiesen sich jedoch als enttäuschend. "Die derzeit doch beträchtlichen Nebenwirkungen dieser Medikamente erfordern eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung", so Hügel. Dennoch wurde erstmals nach einem halben Jahrhundert ein neues Präparat (Benlysta®), das die Produktion der Autoantikörper in den B-Zellen und damit die Krankheitsaktivität blockiert, zur Behandlung schwerer Formen des SLE zugelassen. (Sigrit Fleisz, DER STANDARD, 25.6.2012)