Der Blick auf die Zukunft der Gruppe Raumlabor Berlin ziert für die nächsten Wochen den Lerchberg in Murau. Mittlerweile haben sich die Einheimischen damit angefreundet.

Foto: Regionale XII

Murau - Die Stadt Murau blickt derzeit nicht in die Zukunft, sondern zu ihr hinauf. In weißen Lettern, weithin sichtbar wie der Hollywood-Schriftzug im fernen Los Angeles, prangt das Wort "Zukunft" über der beschaulichen Stadt mit rund 2000 Einwohnern. Die Gruppe Raumlabor Berlin hat den Lerchberg so markiert.

Denn in Murau - Restösterreich vor allem durch sein Bier bekannt - ist seit Freitag der Nabel der dritten Regionale. Das biennal stattfindende Festival für zeitgenössische Kunst und Kultur, das vom ehemaligen SPÖ-Kulturlandesrat der Steiermark, Kurt Flecker, mit dem Geld der abgeschafften Landesausstellungen initiiert wurde, bespielt jeweils eine andere Region des Landes.

Stadt, Land, Fluss

Das Motto unter der Intendanz von Maren Richter lautet heuer "Stadt, Land, Fluss". Jeweils ein Teil der Region ist bis 22. Juli einem der drei Begriffe gewidmet - jeweils auch mit einem eigenen Festivalzentrum. Die "Stadt" ist Murau, in der gestern, Freitag, der Start des Festivals mit einem Fest in der Innenstadt gefeiert wurde, nachdem im Handwerksmuseum die Schau "Kein schöner Land" über die lokale Aufarbeitung der NS-Zeit eröffnet hatte. Schon bei der Anfahrt weisen Schilder darauf hin.

An normale Verkehrszeichen erinnernd, tragen die "Erinnerungszeichen" von Larissa Aharoni Aufschriften wie "Zwangsarbeiterlager Triebendorf in 5 KM", "Straßenbau von Sinti und Roma 1940, 1941", "Deportation ins Getto Lodz 1941" und "Vergast in Chelmno 1942".

Das Festivalzentrum in Murau ist eine imposante, in den Altstadtkern gesetzte schwarze Holzpyramide der Architekten Peter Fattinger und Veronika Orso. Anhand solcher Bauten wurde das Festival, an dem seit Monaten ein großes Team werkt, für die anfangs teilweise skeptische Bevölkerung sichtbar.

"Gerade in Murau", erzählt Maren Richter dem Standard, "wo man vor Jahren auch eine Landesausstellung zum Thema Holz hatte, dauerte es, bis wir bewusstgemacht haben, dass es bei uns wirklich um Gegenwartskunst geht." Kritische Stimmen seien mit der Zeit leiser geworden.

Die Krakau oder das Krakautal haben genauso wenig mit Polen zu tun wie Murau mit Hollywood. Hier steht das Festivalzentrum "White Noise". Es ist ein großes weißes Zelt, das, mit hunderten Eisenstangen bestückt, wie ein futuristischer Igel in der Natur steht. In und um ihn findet das von Klaus Schaffler kuratierte Projekt "Kühllabor" statt, eine Mischung aus Ausstellung und Forschungslabor zum Klimawandel. Hier werden ab Mitte Juli prominente Klimaschutzexperten tagen.

Rund um das Benediktinerstift St. Lambrecht ist das Fließen - auch im Sinne von Veränderungen - das Thema. Das Duo OCTO-R hat aus regionalem Lerchenholz eine Hafensituation im 500 Jahre alten Stiftspavillion geschaffen - und damit das dritte Festivalzentrum. Im ersten Stock des Pavillons kuratierte Oliver Ressler die Ausstellung "Occupy Everthing". Herzstück der Schau ist seine Filminstallation mit Interviews mit Besetzern der Occupy-Wallstreet-Bewegung und ihren Kollegen in Athen und Madrid. Es sind inspirierende Gespräche über Demokratie und Selbstorganisation.

Der Kinoraum ist außen mit 52 Plakaten von Besetzern aus aller Welt verkleidet. Daneben stehen eigens für die Occupy-Bewegung von der Gruppe Not An Alternative entworfene Zelte. Und man hört Stimmen vom Tahrir-Platz: Der Italiener Stefano Savona filmte die Besetzung in Kairo in eindrucksvollen Bildern.

Anders besetzt hat das Grazer Haus der Architektur den öffentlichen Raum von fünf Gemeinden. 85 verschiedene Stühle aus lokalen Haushalten stehen etwa in St. Lambrecht im Gras vor dem Stift gruppiert. Denn 85 Menschen zogen in den letzten fünf Jahren weg. Hinsetzen und bleiben ist erlaubt. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 23./24.6.2012)