Android 4.1 "Jelly Bean" wurde offiziell angekündigt.

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Googles Hugo Barra mit dem Nexus 7.

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Googles erstes eigenes Tablet - das Nexus 7.

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Mit dem Nexus Q dringt Google in neue Produktbereiche vor.

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Das Innenleben des Nexus Q.

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Die neue Tablet-Version der Google+-App wurde ebenfalls gelauncht.

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Sergey Brin übernahm die Präsentation eines der Zukunftsprojekte des Unternehmens - der Google Glasses.

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Viel war in den letzten Wochen und Monaten darüber spekuliert worden, was Google im Rahmen seiner jährlichen I/O-Konferenz dieses Mal aus dem Hut ziehen würde, nutzt das Unternehmen diesen Event doch gemeinhin, um einen regelrechten Schwall an Neuerungen für seine diversen Angebote zu präsentieren. 

Start

Nun haben all diese Gedankenspiele ein Ende: Mit der ersten von zwei geplanten Keynotes hat der Softwarehersteller am Mittwochvormittag (Ortszeit) die Google I/O 2012 im Moscone Center West in San Francisco eröffnet. Die Einleitung nahm einmal mehr Googles Senior Vice-President Vic Gundotra vor, der die 6.000 angereisten EntwicklerInnen begrüßte.

Zahlen

Direkt zum Start gab es auch gleich wieder frische Zahlen zum Erfolg von Android: Mittlerweile werden jeden Tag eine Million neue Android-Geräte aktiviert. In Summe seien so bereits 400 Millionen Android-Devices im Einsatz. Doch dann wollte man keine Zeit mehr verlieren (die Keynote sollte sich in der Folge überhaupt durch ein beeindruckendes Tempo auszeichnen) und kündigte das in den letzten Tagen viel diskutierte Android 4.1 "Jelly Bean" an.

Performance

Einen Schwerpunkt der Entwicklung nennt man "Project Butter", eine konzentrierte Anstrengung, um Android in jeglicher Hinsicht flotter zu machen. Durch verschiedene Maßnahmen wie Triple Buffering in der Grafik-Pipeline und Verbesserungen an der Touch-Reaktionszeit soll "Jelly Bean" so signifikant "flüssiger" laufen. Das demonstrierte man in der Folge anhand von Zeitlupen-Aufnahmen zweier Galaxy-Nexus-Smartphones, eines mit "Ice Cream Sandwich", eines mit "Jelly Bean" - der Unterschied war tatsächlich sehr deutlich auszumachen.

Features

Aber natürlich gibt es auch neue Features in "Jelly Bean". So demonstrierte man auf der Bühne, wie Widgets und Icons automatisch "ausweichen", wenn das beim Verschieben anderer Teile am Home-Screen nötig ist. Ebenfalls neu ist das "Predictive Keyboard", das zu erraten versucht, welches Wort die NutzerInnen als nächstes tippen werden, und dieses vorschlägt. Besonderen Applaus erntete Hugo Barra für "Offline Voice Typing", also die Möglichkeit, Spracheingaben ohne Netzverbindung vorzunehmen.

Kamera

Auch für die Kameraanwendung gibt es Neues zu berichten, frisch aufgenommene Fotos können nun gleich nach der Aufnahme kontrolliert werden, per Swipe-Geste lassen sich misslungene Aufnahmen in Windeseile wieder löschen. Eines der geheimen Highlights von "Ice Cream Sandwich" war "Android Beam", um rasch Daten zwischen zwei Geräten auszutauschen. Funktionierte das in der Vergangenheit nur mit geringen Datenmengen, lassen sich mit "Jelly Bean" jetzt auch Bilder und Videos übertragen.

Benachrichtigungen

In die Kategorie "konsequente" Weiterentwicklung fallen die Verbesserungen am Notifications-System: So gibt es nun Unterstützung für Aktionen im Benachrichtigungsbereich - also etwa neue Personen zu einem Event im Kalender einzuladen. Ein weiteres Beispiel: Google+-Fotos und -Kommentare können direkt an dieser Stelle mit einem +1 versehen werden. Außerdem lassen sich einzelne Nachrichtentypen vergrößern, um mehr Infos anzuzeigen, dazu nutzt man eine neue Zwei-Finger-Geste.

Majel

Was folgte, war, was eigentlich schon kommen musste: die Ergebnisse des einst intern genannten "Project Majel", quasi Googles Antwort auf Apples Siri. Die Android-Sprachsuche bedient sich nun des Knowledge Graph der Google-Suchmaschine, um eine "natürliche" Sprachsuche zu ermöglichen. Zumindest im Demo auf der Bühne funktionierte das hervorragend. Auch die deutlich verbesserte Qualität der Sprachausgabe fiel sofort auf.

Google Now

Eine weitere Neuerung in Suchfragen nennt sich "Google Now", das versucht, anhand von Informationen aus früheren Suchen, aber auch anderen Quellen wie dem eigenen Kalender relevantere Ergebnisse zu liefern. Aufgerufen werden kann Google Now einfach über eine "Swipe-up"-Geste am Home-Screen. Als Einsatzbeispiel zeigt man etwa einen Kalender-Event, bei dem Google Now automatisch eine Route zum zugehörigen Ort legt, wenn man das Haus verlässt. Nimmt man eine Flugsuche vor, wird man in der Folge über Updates zu diesem informiert - natürlich nur, wenn man das wünscht.

Zeitrahmen

Wer darauf gehofft hatte, all dies gleich nach der Keynote auf seinem Smartphone ausprobieren zu können, wurde allerdings enttäuscht: Android 4.1 "Jelly Bean" soll ab Mitte Juli als Update für das Galaxy Nexus, das Nexus S und das Motorola Xoom erhältlich sein, parallel dazu ist die Veröffentlichung des Source Codes geplant. Das zugehörige Software Development Kit (SDK) gibt es hingegen sofort.

PDK

Beinahe schon am Rande erwähnte man eine weitere Neuerung, die allerdings signifikante Auswirkungen auf das Android-Ökosystem haben könnte: Mit dem "Platform Developer Kit" gibt man den eigenen HardwarepartnerInnen künftig zwei bis drei Monate vor der Release einer neuen Plattformversion die Möglichkeit, diese an ihre eigene Hardware anzupassen. Das könnte in Zukunft also in deutlich flotteren Updates auf neue Android-Versionen resultieren.

Play Store

Es folgte ein Blick auf den Stand des Google Play Store: 600.000 Apps und Games sind in diesem mittlerweile verfügbar, in Summe wurden bereits 20 Milliarden Apps heruntergeladen, momentan sind es 1,5 Milliarden Apps-Downloads monatlich. Ein neues Feature für den Play Store nennt sich "Smart App Updates", künftig müssen bei einem Update einer Anwendung nur mehr die wirklich modifizierten Teile (also Deltas) heruntergeladen werden, was den Bandbreitenverbrauch signifikant reduzieren sollte. EntwicklerInnen erfreuen sich der Möglichkeit, ihre App-Pakete künftig zu verschlüsseln.

Content

Bereits vorab wurde viel über eine Erweiterung der Content-Angebote im Play Store spekuliert. Und tatsächlich werden künftig auch TV-Shows und Magazine über den Online-Laden von Google verkauft. Zudem ist es künftig möglich, Filme nicht nur zu streamen, sondern auch wirklich käuflich zu erwerben. Zur lokalen Verfügbarkeit sagte man nichts, also wird all das wohl einmal mehr auf die USA beschränkt sein.

Nexus 7

Und dann folgte das seit Monaten diskutierte, also nicht gar so geheime Zentrum der Keynote: Das gemeinsam mit Asus produzierte eigene Google Tablet Nexus 7. Doch nicht nur die Existenz eines solchen Gerätes bewahrheitete sich, auch die zuletzt kolportieren Hardware-Eckdaten stimmten haargenau.

Spezifikationen

Es gibt also ein 7-Zoll-Display mit einer Auflösung von 1.280 x 800 Pixel, als Prozessor fungiert ein Tegra3 von Nvidia, der mit 1,3 GHz getaktet ist und vier Kerne besitzt, für die zugehörige Grafikeinheit gibt man gleich 12 Kerne an. Die Speicherausstattung liegt bei 1 GByte, ein NFC-Chip ist ebenso verbaut wie WLAN 802.11 a/b/g/n. Der Akku soll mit einer Ladung bis zu 9 Stunden durchgehende HD-Video-Wiedergabe durchhalten. Besonders stolz ist man auf das geringe Gewicht von 340 Gramm, womit sich das Tablet sehr komfortabel halten lasse.

Kamera und Co.

Eine 3G-Version des Tablets ist hingegen zumindest vorerst nicht geplant, auch einen SD-Karten-Slot sucht man vergeblich - was allerdings angesichts dessen, dass Google auch bei seinen letzten beiden Smartphone-Nexus-Modellen darauf verzichtet hat, keine große Überraschung darstellen kann. Für Videochats bzw. Google+-Hangouts gibt es an der Vorderseite eine 1,2-Megapixel-Kamera, rückseitig ist hingegen keine verbaut.

Inhalte

Wenig überraschend stellte man in Folge den Konsum von Inhalten aller Art in den Vordergrund, ähnlich wie es auch Amazon mit seinem Kindle Fire macht. So zeigte man etwa eine neue Magazin-Anwendung, optisch erinnert diese in der Übersicht an die bestehende Musikanwendung von Android. Ebenfalls zu bestaunen gab es in der Demo neue Versionen der Youtube- und Google-Maps-App, Letztere jetzt mit "Street View" in ausgewählten Gebäuden.

Aufbau

Auffällig war, dass man beim User Interface des Google-Tablets etwas andere Wege geht als bei vorherigen Android-Tablets. So erinnert der Home-Screen eher an ein Smartphone, dies aber angereichert mit Widgets, die über neue Inhalte informieren. 

Chrome als Default

Bereits vorab war durchgesickert, dass das Nexus 7 das erste Gerät sein wird, bei dem Google Chrome zum Default-Browser wird, und tatsächlich bestätigte man dies in der Keynote. Angesicht dessen, dass Google zuletzt eine gewisse unübersehbare Affinität zu Flipboard entwickelte hatte, überraschte es beinahe schon etwas, dass man das eigene Google Currents auf der Bühne vorführte. Dieses kann nun Artikel automatisch in andere Sprachen übersetzen.

Verfügbarkeit

Und dann die Frage aller Fragen: Ab wann wird das Nexus 7 verfügbar sein? Die Antwort: ab Mitte Juli, und zwar ab 199 US-Dollar. Es wird dabei direkt über den Google Play Store verkauft, wo es ab sofort vorbestellt werden kann - sofern man aus dem richtigen Land ist. Denn zum Start ist die Verfügbarkeit einmal mehr sehr beschränkt, zu den auserwählten Ländern gehören die USA, Kanada, Großbritannien und Australien - für Kontinentaleuropa hat man hingegen noch nichts Konkretes angekündigt. Der genannte Preis bezieht sich auf die Variante mit 8 GByte Speicherplatz, eine Ausführung mit 16 GByte gibt es um 249 US-Dollar. Im Kaufpreis enthalten ist ein "Credit" von 25 US-Dollar, den man im Play Store für Inhalte aller Art ausgeben kann.

Nexus Q

Anschließend folgte noch eine wirkliche Überraschung, also eine Ankündigung, die vorab in keiner der Spekulationen vorgekommen war: Das Nexus Q soll eine Art zentraler Unterhaltungshub für das Wohnzimmer werden, der Songs und Videos direkt aus dem Web holt, und im lokalen Netzwerk verteilt. Dazu bietet das Gerät zwei WLAN-Zugänge und einen Ethernet-Port, das verwendete Chipset entspricht dem Smartphone Galaxy Nexus. Besonders auffällig ist dabei das Design in Form einer Kugel, Szenenapplaus gab es für den Hinweis, dass das Nexus Q"einfach zu "hacken" sein soll. Wer mehrere dieser Geräte besitzt, kann die Musik durchs ganze Haus verteilen - alles natürlich synchronisiert.

Zudem sei das Nexus Q das erste "Social Media Streaming Device", die eigenen FreundInnen können also schnell - und natürlich drahtlos - über ihre eigenen Geräte Musik bei einer Party hinzufügen. Dasselbe funktioniert auch mit Filmen und Serien - ganz ohne Konfiguration. Alle Inhalte werden dabei direkt aus der Cloud gestreamt. Das Nexus Q soll ebenfalls ab Mitte Juli erhältlich sein, dies ab 299 US-Dollar und über den Google Play Store - vorerst aber wieder einmal nur in den USA.

Google+

Anschließend folgte ein abrupter Wechsel des Themas, zurück zu Google+, das dieser Tage ein Jahr alt wird - genau genommen am zweiten Tag der I/O. Und natürlich durfte auch hier ein Update der Zahlen nicht fehlen: Mittlerweile gibt es 250 Millionen aktivierte Google+Accounts, 150 Millionen davon sind zumindest einmal im Monat aktiv, davon wieder die Hälfte sogar täglich. Auch die Zeit, die die NutzerInnen auf der Plattform verbringen, steige deutlich an, von 9 auf 12 Minuten täglich im Stream (im Schnitt) seien es nun, beantwortet Gundotra indirekt die immer wieder auftauchenden Vorwürfe, Google+ sei eine "Geisterstadt". Ebenfalls sehr interessant: Mittlerweile werde Google+ mehr über mobile Geräte als über das Web genutzt, so Gundotra.

Tablet-App

Zu dieser Erkenntnis - und zur Vorstellung des Nexus 7 passend - konnte man auch gleich eine neue Version der Android-App ankündigen: So gibt es endlich eine eigens auf Tablets optimierte Ausführung des Programms, diese sollte noch am Mittwoch im Play Store zum Download bereitstehen. Auf der Bühne demonstrierte man ein speziell auf Tablets optimiertes Interface für "Hangouts". Dazu passend wurde auch an der Smartphone-Ausführung von Google+ weiter gefeilt. Für das iPad werde ein entsprechendes Update "sehr bald" folgen.

Events

Als sehr wahrscheinlich wurde im Vorfeld der Launch von Google+ Events bewertet, immerhin gab es in den letzten Wochen einige sehr eindeutige Hinweise - und tatsächlich war es im Rahmen der Keynote so weit. Dabei demonstrierte man die Integration mit dem Google Calendar, der dazu passend gleich erweitert wurde und eine grafisch "reiche" Vorschau solcher Events darstellen kann.

Party Mode

Eine Spezialität der Google+-Events nennt sich "Party Mode": Wer will, kann diesen aktivieren und so für die Dauer des Events automatisch neue Bilder und Videos mit anderen TeilnehmerInnen sharen. Unter Android werden zudem live Benachrichtigungen über neu zu einem laufenden Event hinzugefügte Inhalte angezeigt. Der allerererste Google+-Event sollte übrigens die am Mittwochabend (Ortszeit) stattfindende "After Hours Party" sein.

Google Glasses

Gegen Ende der Keynote gab es dann noch einen überraschenden Auftritt von Google-Mitgründer Sergey Brin, der Google Glasses demonstrierte, mehr dazu in einem separaten Artikel. Und ganz zum Schluss kam das, worauf wohl viele der Anwesenden gehofft hatten: der beliebte "Oprah"-Moment, der es heuer wieder mal in sich hatte. Es gab nämlich ein sehr spezielles "Android-Developer-Paket": Alle I/O-TeilnehmerInnen bekommen sowohl ein Nexus Q als auch ein Nexus 7 und ein Galaxy Nexus, das mit einer Vorabversion von "Jelly Bean" ausgestattet ist. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 27.6.2012)