
Ein Szene voller Unmittlebarkeit in einer komplexen Choreografie namens " Monique".
Wien - Monique ist der Geist in dem Tanzstück Monique von Alix Eynaudi. Und was wäre Monique ohne weißes Leintuch? Richtig: unsichtbar. Ein Spuk, der womöglich seines Leintuchs überdrüssig geworden ist. Deswegen hat sich Monique von der flämischen Modedesignerin An Breugelmans neu einkleiden lassen.
Die Uraufführung dieser geheimnisvollen Choreografie im Tanzquartier Wien begann harmlos. Eine Frau, Eynaudi selbst, trimmt einem Mann, dem Tänzer Mark Lorimer, den Schnauzer, während dieser in einem Buch blättert. Im Hintergrund ein großes Gemälde: ein Tunnel aus Wolken. Aus dieser Szene entwickelt sich eine Ménage à trois zwischen der Tänzerin, dem Tänzer und Monique, die selbst niemals direkt auftritt. Erst am Schluss wird sie greifbar, wenn eine Erscheinung, die an die Geister in Apichatpong Weerasethakuls Film Uncle Boonmee gemahnt, sich an ihre " früheren Leben" ebenso erinnert wie an den gepanzerten Krieger, gegen den der Protagonist in Terry Gilliams Film Brazil im Traum kämpft.
Bis dahin weben Eynaudi und Lorimer einen Bewegungsstoff, unter dem sich das Gespenst einer Geschichte verbirgt und zugleich zeigt. Die 36jährige Choreografin macht ihrem Publikum die Lektüre dieses Stoffs nicht leicht. Vor allem, weil sie mit einem Motiv arbeitet, das sie formal ausstellt und zugleich inhaltlich verbirgt - der Bondage.
Man denkt sofort an den japanischen Fotografen Nobuyoshi Araki, und Spezialisten hier in Wien erinnern sich an die Bondage-Performances von Heike Keusch mit Mark Willuhn. Bei Monique wundert man sich erst einmal darüber, wie beiläufig diese Körpertechnik vorgeführt wird. Aber nur so lange, bis klar wird, dass die Einschnürung eine Metapher ist: Einschnürend sind auch viele Bewegungsfolgen, einhüllend die Kostümierung, einschneidend die Auseinandersetzung mit Schein und Verfremdung.
Zu Tanz verschmelzen
Das Wolkenbild im Hintergrund wird als Parallelebene im Stück zum Drama der Verwandlung. Durch Projektionen und Lichteffekte mutiert es zu einer choreografierten Leinwand aus gewittrigen, gespenstischen und grotesken Stimmungen, in denen die Visualisierungen von Gemälde, Musik und Kostüm zu einem eigenen Tanz verschmelzen. Das Gespenstische wird hier als Methode zur Konterkarierung des Begehrens genutzt. Am Ende steht ein Götze da, eine Fassade, ein Name - eine Monique, die wir alle sein könnten, eingebunden in Wunschmaschinen und Gespenster in Kulturkostümen.
Eynaudi, die zu den Top-Tänzerinnen bei Anne Teresa De Keersmaekers Company Rosas gehörte, wird gerade zur Österreicherin. Vor etwa zehn Jahren hat sie sich selbständig gemacht und mit Größen wie Superamas, Kris Verdonck und Anne Juren kooperiert. Nun übersiedelt sie nach Wien. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 25.6.2012)