Bild nicht mehr verfügbar.

Die gemeinsame Obsorge bleibt Streitpunkt in der Regierung.

Foto: Patrick Pleul dpa

Wien - Einige positive Punkte, aber auch jede Menge zu diskutieren gibt es für Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) nach Durchsicht des neuen Entwurfs zum Familienrecht von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP). Vor allem bei der gemeinsamen Obsorge nach Scheidungen sieht Heinisch-Hosek noch Probleme, erkennt sie doch eine "Automatik durch die Hintertür", wie sie am Mittwoch vor Journalisten sagte. Die Ministerin will den Entwurf auch "umfassend" mit Experten und dem SPÖ-Klub diskutieren - sie sei nicht für Verzögerung, aber "Qualität vor Tempo".

Am Dienstag hat ein erstes "sachlich konstruktives Gespräch" zwischen Heinisch-Hosek und Karl stattgefunden. Es gebe "Unterschiede in der Lesart", meinte Heinisch-Hosek. Größter Knackpunkt war  bisher die gemeinsame Obsorge nach strittigen Scheidungen - und wird es wohl auch bleiben. Karls "Sprache in den Medien" und das, was im Entwurf stehe, waren für die Frauenministerin "schon zwei verschiedene Dinge".

Heinisch-Hosek: Väter sollen Obsorge beantragen

Denn in diesem Punkt liest Heinisch-Hosek aus dem Karl-Vorschlag das Gleiche heraus wie aus dem alten Entwurf der damaligen Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Es sei vorgesehen, dass weiterhin beide mit der Obsorge betraut sind, außer es schade dem Kindeswohl. Die Ministerin will stattdessen, dass Väter einseitig die gemeinsame Obsorge beantragen können und das Gericht nach einer bestimmten Frist entscheidet. Derzeit ist eine gemeinsame Obsorge nach Scheidungen nur möglich, wenn sich beide Elternteile darüber einig sind.

Hohen Klärungsbedarf ortet die Frauenministerin auch in Sachen Doppelresidenz (das Kind lebt abwechselnd bei beiden Eltern, Anm.): Derzeit sei dies frei vereinbar, künftig soll es möglich sein, sie vor dem Richter festzulegen, was Heinisch-Hosek mit Verweis auf Expertenmeinungen ablehnt.

Vater muss sich erst bewähren

Gesprächsbedarf herrscht für sie auch noch beim Antragsrecht für ledige Väter auf gemeinsame Obsorge. Derzeit ist es so, dass bei unehelichen Geburten die Obsorge zunächst der Mutter alleine zusteht. Das Antragsrecht würde einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folgen, dazu stehe man. Aber Heinisch-Hosek wünscht sich einen "zeitlichen Puffer", der Vater müsse sich bewähren.

Wollen die Eltern eines unehelichen Kindes die gemeinsame Obsorge, muss diese derzeit extra gemeinsam beantragt werden. Vorgesehen sei im Entwurf nun eine Hinterlegung beim Standesamt, hier befürchtet die Ministerin aber "Überrumpelungsgefahr". Sie ist dafür, dass der Antrag wie bisher beim Pflegschaftsgericht notwendig ist, denn dort werde das Kindeswohl geprüft.

Besuchsrecht

Änderungen sind auch beim Besuchsrecht geplant. Im Entwurf gebe es "Hinweise" für eine raschere Klärung, bei strittigen Scheidungen müsse aber noch präzisiert werden, wie das Gericht ein Besuchsrecht in der Scheidungsphase verordnen kann. Gut findet Heinisch-Hosek das "Recht auf regelmäßigen und den Bedürfnissen des Kindes" entsprechenden Kontakt. Neu sei die Möglichkeit, das Besuchsrecht zu untersagen, wenn (belegt) Gewalt im Spiel ist - auch das begrüßt sie.

Vorgesehen seien auch "Besuchsmittler", die nicht nur an neutralen Orten wie Besuchscafés begleiten können. Das ursprünglich vorgesehene Mindestbesuchsrecht ist laut Heinisch-Hosek nicht mehr enthalten.

Ebenfalls positiv findet die Frauenministerin, dass beim Namensrecht nun Doppelnamen für Kinder möglich sind. Aber auch eingetragene Partner sollten ihrer Meinung nach einen Familiennamen führen können. Die Kriterien zum Kindeswohl seien breiter definiert, das sei zu begrüßen.

Erleichterung für Patchworkfamilien

Dass präzisiert werde, dass Patchworkeltern künftig den leiblichen Elternteil bei alltäglichen Obsorgepflichten vertreten dürfen, freut Heinisch-Hosek auch. Allerdings sei nicht klar, ob dies auch für (unverheiratete) Lebensgefährten gelte. Heinisch-Hosek will auch gleichgeschlechtliche Lebensgefährten erfassen.

Prinzipiell fehlt der Ministerin im Entwurf ein Eingehen auf sogenannte Regenbogenfamilien: Wenn beispielsweise ein Kind in eine gleichgeschlechtliche Beziehung kommt, solle es bei Verpartnerten automatisch eine gemeinsame Obsorge geben (sofern kein leiblicher Elternteil dem entgegensteht), bei Lebensgefährten ein Antragsrecht. Heinisch-Hosek ist jedenfalls zuversichtlich für eine Lösung, demnächst soll es ein weiteres Treffen auf Kabinettsebene geben. (APA, 27.6.2012)