Das Schattentheater (li.) und das Gespenst der Kunst (re.) befragt Gedi Sibony in der Galerie Meyer Kainer.

Foto: Julia Spicker

Wien - Es ist ungewöhnlich düster in der Galerie Meyer Kainer. Nur indirekt fällt Licht in den fensterlosen Raum. Natürliches Licht aus dem Vorraum und künstliches aus dem Stiegenhaus, das gleißend hinter weißem Store hervordrängt. Das leger über ein Gestell geworfene Gewebe wirkt wie eine blitzschnell improvisierte Verdunkelung. Und doch ist es eine Arbeit des 1973 geborenen New Yorker Künstlers Gedi Sibony.

Die illuminierte textile Form mit dem Titel The Second Innermost Adornment ist Blickfänger in der trotz Dämmerlicht überschaubaren Ausstellung und darin tatsächlich eine Zierde. Ganz generell ist die Schau mit jenen Seiten beschäftigt, die dem Licht abgewandt - und damit auch den Blicken entzogen sind: Rückseiten.

Ein an die Wand gehobener Teppich präsentiert seine mit Klebeband versorgten Wunden. Und das geklammerte Papp-Flickwerk von To Tell It As Forward Winding offenbart, wie aus mehreren Pappstücken eine Fläche wurde. Eine Reihe gerahmter Bilder zeigt Rückseiten von Arbeiten auf Papier. Ob Zeichnungen, Drucke, Collagen oder womöglich nur leere Blätter, kann man nicht erkennen. Unterscheidbar macht sie einzig die Art der Montage am Passepartout: strahlenförmig angebrachte, dicke oder nur übers Eck angebrachte schmale Klebestreifen. Diese Ergebnisse minimalistische Arbeiten zu nennen wäre übertrieben. Vielmehr ist es eine zufällige, der Fertigkeit des Bilderrahmens geschuldete Komposition: composition trouvé?

Sibony öffnet - dazu trägt die diffuse Lichtstimmung bei - einen Ort hinter den Bildern. Denn um den Hintergrund der Kunst, ihre institutionelle Gemachtheit geht es Sibony. Mehr als um eine rotzige Baumarkt-Variante der Minimal Art. Es geht um den Fetisch Kunst und den Ort, an dem sie diesen Status erhält: wo Rohes dank intellektuell etablierten Trash-Chics zum bedeutungstragenden Luxusartikel wird.

Dieser revolutionäre Gestus, trivialste "Rohstoffe", Gefundenes, Verpackungsmaterial zu beiläufig wirkenden Installationen zu arrangieren, ist nicht neu. Auch die angeschnittenen institutionskritischen Diskurse nicht. An den ästhetischen Grenzen dessen, was Kunst sein kann und darf, wird seit langem gebastelt. Die Frage ist: Was kommt nach der Erkenntnis, dass Kunst ein Konstrukt gesellschaftlicher Übereinkünfte und gesteuerter Hypes ist?    (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 28.6.2012)