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Peter Pilz, Otto Pendl, Werner Amon, Dagmar Belakowitsch-Jenewein und Peter Westenthaler (von links)

Foto: APA/ROBERT JAEGER

Wien - "Normalerweise hätte dieser Fall in wenigen Tagen gelöst werden können", ist Otto Pendl, der für die SPÖ im Unterausschuss des Innenausschusses (Stapo-Ausschuss) im Parlament monatelang den Entführungsfall der Natascha Kampusch prüfte, überzeugt. Am Donnerstag legte der Ausschuss ein einstimmig beschlossenes Kommuniqué vor.

Die Ausschussmitglieder geben Justizministerin Beatrix Karl und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) die Empfehlung, den Fall noch einmal mit Cold-Case-Ermittlern des FBI und des deutschen Bundeskriminalamts aufzurollen. Um eine Einzeltäterschaft Wolfgang Priklopils festzustellen, sei nicht genug ermittelt worden.

Ermittler ohne Sorgfalt

In seltener Einigkeit zeigte man sich überzeugt, dass in den Ermittlungen von Anfang an, also 1998, bis zur Selbstbefreiung von Kampusch 2006 Fehler passiert waren.

Zwei Fragen stellte sich der Ausschuss: "Sind die Ermittler von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei ihrer Aufgabe mit der notwendigen Sorgfalt und Professionalität nachgekommen?" Und: "Ist den wesentlichen Fragen, die sich im Laufe der Ermittlungen ergeben haben, ausreichend nachgegangen worden?" "Beide Antworten müssen wir ganz klar mit Nein beantworten", fasste der Ausschussvorsitzende Werner Amon (ÖVP) zusammen.

Die Ermittlungen gegen fünf Staatsanwälte 2011 hatten nur den Verdacht des Amtsmissbrauchs in Innsbruck zum Inhalt. Der Fall selbst wurde in Innsbruck nicht neu aufgerollt. Genau das könnte nach einer neuerlichen Evaluierung aber passieren.

Anzeige wegen Nötigung angedacht

Die Punkte, die die Ausschussmitglieder so zweifeln lassen, sind bekannt: Die Rolle des Freundes und Geschäftspartners von Priklopil, H., sei nicht ausreichend untersucht worden, frühe Aussagen von Kampusch wie auch mehrere Zeugenaussagen, die nicht ins Bild der Einzeltätertheorie passten, seien übergangen oder die Zeugen von der Staatsanwaltschaft als " unglaubwürdig" beurteilt worden. Auch, wenn die Polizei das Gegenteil empfahl. Im Fall der einzigen Tatzeugin A. überlege man laut Amon sogar, Anzeige wegen Nötigung zu erstatten: Die Frau will von Beamten unter Druck gesetzt worden sein.

Viele Verdachtsmomente konnten die Parlamentarier aber auch ausräumen. So habe der zuständige Gerichtsmediziner vor dem Ausschuss erklärt, es habe beim Leichnam Priklopils, der sich 2006 vor einen Zug warf, keine Hinweise auf Mord gegeben. Eine toxikologische Untersuchung des Leichnams sei aber nicht erfolgt.

Kampusch "selbstverständlich" Opfer

Auch der Tod des Chefermittlers, Franz Kröll, sei Selbstmord gewesen. Das Motiv für den Suizid könne aber mit dem Fall, der Kröll entzogen worden war, zu tun haben, erklärte Amon.

"Der Unterausschuss anerkennt Natascha Kampusch selbstverständlich als Opfer", betonte Amon, "doch Opferschutz dürfe nicht so weit gehen, dass Aktenteile (Videos und Tagebücher, Anm.) nicht einmal den Ermittlern bekannt waren". Dass Akten dem Ausschuss bis zuletzt nicht ausgehändigt wurden, empörte alle.

Pendl kritisierte aber auch, dass "ein Opfer jahrelang als Kriminalfall benamst wird", und forderte die Medien auf, "darüber nachzudenken". Peter Westenthaler, Ausschussmitglied für das BZÖ, sprach ab da vom "Fall Priklopil, Freunde, Helfer und Beschützer". Grünen-Ausschussmitglied Peter Pilz will als Konsequenz des Falles, in dem "jede Kontrolle versagt" habe, "weitreichende Reformen" - vor allem bei der Kripo. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 29.6.2012)